Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

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Sie und das Chaos setz' ich ein zu Erben! 
Für sie dies Zepter!" — 
Und im Schlafgewand 
100 Jach sprang er auf, und wie die Glieder flogen 
Im Todesschweiß, riß er vom Fensterbogen 
Den Vorhang fort und warf mit irrer Hand 
Hinaus den Stab der Herrschaft in die Nacht. 
Dann schlug er sinnlos hin. — 
105 Im Hofe stand 
In sich vertieft ein Kriegsknecht auf der Wacht, 
Blondbärtig, hoch. Zu dessen Füßen rollte 
Des Zepters rundes Elfenbein und sprang 
Vom glatten Marmorgrund mit hellem Klang 
110 An ihm empor, als ob's ihn grüßen wollte. 
Er nahm es auf, unwissend, was es sei, 
Und sank zurück in seine Träumerei. 
Er dacht' an seinen Wald im Wesertal: 
Die düstern Wipfelkronen sah er ragen; 
115 Er sah am Malstein die Genossen tagen, 
Blank jedes Wort wie ihrer Streitaxt Stahl, 
Und treu die Hand zum Sühnen wie zum Schlagen. 
Und an sein liebes Weib gedacht' er dann; 
Er sah sie sitzen an des Hüttleins Schwelle 
120 Im langen, gelben Haar,. wie sie, mit Schnelle 
Die Spindel wirbelnd, in die Ferne sann, 
Wohl her zu ihm; und vor ihr spielt' am Rain 
Sein Knabe, der den ersten Speer sich schnitzte, 
Und dem so kühn das blaue Auge blitzte, 
125 Als sprüch's: „Ein Schwert nur, und die Welt ist mein!" 
Und plötzlich floß dann — wie, verstand er kaum — 
Ein andres Bild in seinen Heimatstraum; 
Vor seine Seele drängt' es sich mit Macht, 
Wie er dereinst in heißen Morgenlanden 
130 Als Wacht an eines Mannes Kreuz gestanden, 
Bei dessen Tod die Sonn' erlosch in Nacht. 
Wohl lag dazwischen manch durchstürmter Tag, 
Doch konnt' er nie des Dulders Blick vergessen, 
Darin ein Leidensabgrund unermessen 
135 Und dennoch alles Segens Fülle lag — 
Und nun — wie kam's nur? — über seinen Eichen 
Sah er dies Kreuz erhöht als Siegeszeichen; 
Und seines Volks Geschlechter sah er ziehn, 
Unzählig, stromgleich; über den Gefilden
	        
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