Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

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Und wenn wir etwa meinen wollten, dafür sei der Staat, den sich 
überhaupt manche fälschlich nur als einen unbequemen Gebieter denken, 
nicht notwendig, das nämliche ließe sich auch durch eine einfache Verab¬ 
redung der Bürger untereinander erreichen: so fragt euch uur, wie lange 
es mit dem guten Willen aller einzelnen Mitglieder einer solchen Gesell¬ 
schaft dauern würde, an der jemand nur teilnähme wie etwa an einem 
Gesangverein, wie lange es dauern würde, wenn nicht das zwingende 
Band des Staates das Ganze zusammenhielte! Gewiß ist es eine lobens¬ 
werte Sache um die vielen Vereine, welche die Menschen, zumal in unseren 
Zeiten, gründen, um gewisse gemeinschaftliche Zwecke zu erreichen, wie 
z. B. Sparkassen, Witwenkassen, Lebens-, Feuer-, Wasser- und Hagel¬ 
versicherungen u. dgl. Aber alle diese Genossenschaften können sich nur 
bilden, wo schon ein Staat vorhanden ist, und sie haben ihren Bestand 
nur unter dem Schutze der staatlichen Ordnung. Die Stadt- und Dorf¬ 
gemeinde kann ihre Zwecke nur erfüllen, insofern sie als ein Glied in 
jenes größere Ganze eingefügt ist. 
Der Leib einer Pflanze oder eines Tieres ist nicht eine bloße 
Zusammenreihung seiner Teile; es ist ein lebendiges, ein unteilbares 
Ganzes. Die einzelnen Teile bilden seine Glieder und dienen ihm als 
Werkzeuge oder Organe für seine Ernährung, sein Wachstum und seine 
übrigen Lebensverrichtungen. Alle diese Glieder stehen im Zusammen¬ 
hange, und jedes ist dem Ganzen notwendig. Ganz ähnlich nun verhält 
es sich mit dem Staat. Auch er ist ein organisches Gebilde, ein gesell¬ 
schaftlicher Organismus. Auch in dem Staatskörper bewegt sich ja eine 
Fülle von Kräften auf und ab, und nährender Saft geistigen und sittlichen 
Lebens durchtränkt das in steter Entwicklung begriffene Ganze. Auch 
in ihm findet eine reiche Gliederung und ein unzerreißbarer Zusammen¬ 
hang der einzelnen Teile statt, und ein jeder ist gleichsam ein notwendiges 
Blatt, ja eine Frucht und, wolle Gott, eine recht gesunde Frucht auf beni 
weit ausgebreiteten Baume. Oder ist etwa der Landmann dem Ganzen 
weniger notwendig als der Handwerker? Haben die Gelehrten und 
Künstler nicht ebensogut ihre Bestimmung in diesem Wunderbau wie der 
Arzt und der Richter, der Kaufmann und der Fabrikant, der Pfarrer und 
Lehrer? Der König steht höher als der Untertan, der Bürgermeister hat 
den Vorrang vor dem einfachen Bürger; aber einen König gibt es nicht 
ohne Untertanen, einen Bürgermeister nicht ohne Gemeinde. Und für das 
Ganze ist jeder Teil wichtig, wie in einer Uhr auch das kleinste Rädchen 
nicht fehlen darf. 
Der Staat also ist es, der die gegenseitigen Beziehungen seiner Bürger 
regelt, sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit schützt und fördert, der die 
Gesetze über Eigentum, Gewerbebetrieb, Landeskultur, Bildungswesen usw. 
gibt uud aufrecht erhält, der die Strafen für Übertretungen ansetzt und 
die Wächter des Gesetzes bestellt, der durch seine Heeresmacht und Bünd-
	        
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