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Fünfter Abschnitt.
zu seinem Könige gestanden; auf diese Treue, deren Band sich Meinen Vätern
gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als unzerreißbar bewährt hat,
zähle auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie aus vollem Herzen erwidere
als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich stark in der Hingebung
für das gemeinsame Vaterland. Diesem Bewußtsein der Gegenseitigkeit der
Liebe, welche Mich mit Meinem Volke verbindet, entnehme Ich die Zuversicht,
daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen werde, Meines Königlichen
Amtes zum Heile des Vaterlandes zu warten.
Potsdam, den 18. Juni 1888.
Wilhelm."
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B. Kulturgeschichte.
1 Das eleusische Fest.
W. Wägner, Hellas, (gekürzt). Leipzig, 1877.
Von höchster Bedeutung, nicht bloß für die Athener, sondern zum Teil
für ganz Griechenland, waren die Eleusinien und die Panathenäen. Erstere,
die eleusinischen Mysterien genannt, hatten ihren Grund in dem Mythus
von den Naturgötteru Demeter, Persephone oder Kore und Dionysus, hier
Jakchus, dem Sprößlinge der Kore und des Beherrschers der Unterwelt.
Sie deuteten sinnbildlich die Ansichten und Hoffnungen der Weisen von einem
Leben der Seele nach dem Tode an, das edler sein sollte, als jenes schatten¬
hafte Dasein war, von welchem Homer redet.
Demeter, die Geberin der Fruchtfülle, — so lautet die Mythe, — ver¬
ließ den seligen Kreis der Olympier, als sie erfuhr, ihre Tochter Kore sei
von dem finsteren Hades geraubt und für sie unwiederbringlich verloren.
Sie wanderte nach Eleusis und setzte sich in Gestalt einer alten Frau auf
einen Stein am Jungfernborn, wo die Mädchen Wasser schöpften. Die
Töchter des Königes Keleos fanden sie daselbst in ihrem Grame versenkt. Da
sie erfuhren, die trauernde Frau sei von Schiffern geraubt worden, den Räubern
hierher entkommen und ohne Obdach, Heimat und Freunde, so nahmen sie
dieselbe mit sich in die königliche Wohnung. »
Da gelang es der fröhlichen Magd Jambe, den Kummer der Göttin
durch ausgelassene Scherze zu zerstreuen, so daß sie zwar nicht den herzer¬
freuenden Wein, doch aber ein Mischgetränk von Wasser, Mehl und Polei
genoß. Darauf unterzog sich die Göttin der Pflege des kleinen Königskindes
Demophoon. Sie reichte ihm am Tage Ambrosia, des Nachts legte sie es
in himmlisches Feuer, um es für die Unsterblichkeit zu läutern.
So gedieh der Knabe wunderbar; aber die Mutter, welche ihn einst in
der läuternden Lohe erblickte, riß ihn erschreckt heraus. Da stand plötzlich
die Wärterin, verklärt in ihrem Strahlenglanze, vor ihr, zürnend der mensch¬
lichen Torheit. Sie gebot den Eleusiniern, einen Tempel zu erbauen, und
verhieß ihnen, die heiligen Gebräuche zu offenbaren, durch deren Beobachtung
sie der höchsten beseligenden Wohltaten teilhaftig werden würden.
Als der Tempel erbaut war, barg sich darin die trauernde Göttin, und
es wuchs Jahre hindurch keine nährende Halmfrucht, also daß Menschen