Das zeigte sich auch im Norden. Wahrend das westliche Holstein ger¬
manisch war, saßen noch im elften Jahrhundert im östlichen die slawischen
Wagrier, die auch das westliche Mecklenburg besaßen und bereits im
zehnten Jahrhundert durch das unter dem Erzbischof von Bremen-Ham¬
burg stehende Bistum Oldenburg dem Christentum gewonnen wurden. Ein
Fürst dieser Wagrier war Gottschalk (1043—1066), Schwiegersohn des
dänischen Königs Sven Estrithson. Er gründete das Bistum Mecklen¬
burg (der Ort Mecklenburg liegt südlich von Wismar) und legte eine Stadt
an, die den Namen Lübeck führte und später als Alt-Lübeck bezeichnet
wurde. Dieses ältere Lübeck lag nördlich des jetzigen an der in die
Trave mündenden Schwartau. Die Einwohnerschaft war slawisch, doch
wohnten daselbst auch einige deutsche Kaufleute. Damals zuerst zeigte sich
die Bedeutung der Mündung der Trave für den Handel. Alt-Lübeck ist
1138 von anderen Slawen zerstört worden, und man hat es nicht wieder
aufgebaut, das slawische Alt-Lübeck hätte auch kaum eine Zukunft gehabt.
Denn die Slawen haben kein eigentliches Städtewesen gekannt; das Städte-
wesen Deutschlands ist deutschen Ursprunges. Nicht zwar, als ob die
Germanen das Wohnen in Städten zuerst aufgebracht oder von Anfang
an geliebt hätten; es ist vielmehr allgemein bekannt, daß sie das Leben in
mauerumschlossenen Orten haßten und ebenso, daß Städte im eigentlichen
Sinne gerade im Altertum zu höchster Blüte gediehen waren.
So finden wir am Ende des Altertums, als die Germanen das
römische Reich überschwemmen, auch in den Grenzprovinzen desselben und
unter anderem im Süden und Westen des heutigen Deutschlands viele
Städte. Dagegen waren die Germanen Landleute. Sie sahen das Zn-
sammenwohnen von Leuten innerhalb städtischer Mauern nicht als einen
Grund an, denselben besondere Rechte zu geben, wie die Bürger römischer
Städte sie besaßen. Für sie war eine Stadt nicht mehr als ein Dorf.
Aber allmählich änderte sich das, und die Germanen lernten nicht nur
das Leben in Städten schätzen, sie entwickelten das Städteleben selbst¬
ständig.
Die römische Kultur, die sich in den deutsch gewordenen, einst rö¬
mischen Städten allmählich wieder, wenn auch zuerst nur schwach, geltend
machte, und besonders die Erfordernisse des materiellen Lebens, die in den
Städten andere waren als auf dem Lande, bewirkten, daß die Städte nach
und nach wieder eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Lande
erlangten. Aber man mußte diese Selbständigkeit den Mächten der Zeit
abringen. Die Eigenschaften einer Stadtgemeinde im Gegensatz zu einer
Landgemeinde sind nun folgende. In einer Stadt ist ein Markt; sie ist