Geschichte.
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schweren, verhängnisvollen Stunde. Alle Posten sind verdoppelt, fliegende
Reiter kommen und gehen; vor ihren Hütten kauern die Soldaten mit ge—
bräunten Gesichtern und zerrissenem Waffenrock, die einen voll übermut, die
andern von ernsten Gedanken und Sorgen bewegt, alle aber bereit, freudig
ihr Leben zu opfern, um des Vaterlandes Sicherheit und Ehre zu wahren.
Ünter den Kesseln prasselt das Feuer; — bang verstreichen die Minuten. Da
ertönt von der Wache drüben ein Zeichen; augenblicklich rollt die Trommel
durchs Lager hin und ruft Alarm. Der Feind hat einen Ausfall gemacht;
es gilt, ihn über seine Schanzen zurückzuwerfen. Hurra! — hallt es durch
die Massen; die eisernen Reihen schließen sich hart an einander. Gott sei
mit uns! damit geht's vorwärts ohne Bangen und ohne Weichen.
Endlich ist der Sieg erkämpft, die Bataillone ziehen in ihre Stellungen
ein mit klaffenden Lücken und zerschossenen Fahnen. Aber das Bewußtsein
des Sieges füllt jede Brust; denn jeder hat treu seine Pflicht erfüllt, und
jeder teilt die Ehre des Sieges.
Das Vaterland möchte alle die Tapfern ehren; aber es sucht, so schwer
dies ist, unter den Braven die Bravsten heraus, um ihre Brust mit dem
eisernen Kreuz zu schmücken und in den einzelnen allen die wohlverdiente
Ehre zu geben. Es ist Sonntagmorgen; und nach dem Gottesdienst, der die
Truppen mit ihren Führern versammelt hat, sollen die im letzten Gefechte
errungenen Kreuze verteilt werden. Schweigend stehen die Soldaten im
Kreise, fast beschänt und gerührt. Aber ein helles Leuchten geht über das
Angesicht eines jeden, dessen Name von den Führern aufgerufen wird. Man—
cher achtzehnjährige Jüngling empfängt das Kreuz neben dem ergrauten
Helden. Preußen und Schwaben, Sachsen, Hessen und Bayern tragen das
gleiche Zeichen auf der Brust, weil sie mit gleichem deutschem Sinn und
Mut gekämpft haben.
2. Aber nicht alle können die Freude am Sieg und am Ruhm teilen.
Tausende liegen auf dem Schlachtfelde, die kein anderes Ehrenzeichen haben
als die klaffende Wunde und den brennenden Schmerz. Doch auch ihrer
wird gedacht, und Hilfe wird ihnen gebracht von denen, die unter dem
roten Kreuz dienen, um die Pflichten der Liebe an den Verwundeten und
Kranken zu üben.
Vor einer elenden Scheune, etwa 2000 Schritt hinter der Schlachtlinie,
ist der Verbandplatz errichtet; im Halbkreise stehen die Lazarettwagen, kennt⸗
lich am roten Kreuz, mit Hilfsmitteln und Werkzeugen zum Verbinden und
zur ersten Linderung der Wunden. Darüber weht die weiße Fahne mit dem
roten Kreuz, um den Platz gegen jeden Angriff sicher zu stellen. Endlos
bringen die Träger auf ihren Schmerzensbahren immer neue Opfer des
Kampfes herbei; vor den Verwundeten knieen die Ärzte, um mit ihrer Hilfe
dem einen Linderung, dem andern nur verlängerte Qual zu bringen. Von