Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

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Wanderer. 
„Was geschah denn?" 
Kleophas. 
„O Fremdling! du kennest also, du kennest 
Jesus von Nazareth nicht? den Propheten Gottes? der mächtig 
Vor dem Herrn und dem Volke durch Wunder und himmlische Weisheit, 
Der ein göttlicher Mann war? Allein, ach! unsere Herrscher- 
Haben, entflammt von dem Grimme, der Wut der untersten Hölle, 
Ihn gegriffen und ihn dem Heiden Pilatus zum Tode 
Übergeben! Der hat sein Todesurteil gesprochen! 
Hat — o, dürft' ich die Art des furchtbaren Todes nicht nennen — 
Ihn gekreuziget! Fordere nicht, daß ich wieder die Wunden 
Meiner Seel' aufreiße, dir seinen Tod zu beschreiben, 
Wie er schwebt' an dem Kreuze! und wie der Hügel sein Blut trank! 
Wie er bleich und erstarrt um Hilf', um Hilfe zu Gott rief! — 
Ach, wir hofften auf ihn und hielten ihn für den Messias! 
Israel, hofften wir, sollt' er erlösen! Und über das alles 
Brach der dritte der Tage schon an, seit dies geschehn ist." 
Und Matthias begann: „Auch haben die Weiber der Unsern 
Uns erschreckt. Heut' gingen sie in der Frühe zum Grabe; 
Seinen Leichnam fanden sie nicht. Sie kamen mit Zittern, 
Hatten Gesichte der Engel gesehn, die sagten, er lebe! 
Ach, wir vermochten nicht, uns zu freuen! Einige gingen 
Auch zu dem Grab' und fanden es offen und ohne den Toten." — 
Jetzo kamen sie unter umschattende Palmen. Der Wandrer 
Sah sie mit der Erhabenheit an, die Größe der Seele 
Und nicht Stolz ist, und sprach mit der mächtigen Stimme der Wahrheit: 
„Ihr Unweisen und langsamen harten Herzen, zu glauben, 
Dem zu glauben, was euch die Propheten verkündiget haben! 
Mußte nicht dies der Messias leiden? und, nach der Vollendung 
Seiner Leiden, erst dann zu seiner Herrlichkeit eingehn?" 
Mit Erstaunen sah'n sie sich an; mit bebender Ehrfurcht 
Ihn! Gern hätten sie ihn, doch nur Augenblicke, verlassen 
Und von ihm miteinander gesprochen. Ihr trüberes Auge 
Wurde Licht und begegnete sich mit feurigen Fragen! 
O wer ist er, wer ist, der unsere Seele mit Ehrfurcht 
Und mit Staunen erfüllt? Doch hatt' er nur angefangen. 
Über sie durch die Gewalt der siegenden Wahrheit zu herrschen. 
Wie ein Sturm, der beginnt, mit gehaltner Stärke noch wehet. 
Noch den kühleren Wald nicht ganz füllt, — Stille ruhet 
Noch in seinen Talen, noch liegen blässere Schatten, 
Ganz ist die Sonne noch nicht von des Sturmes Wolken umnachtet: —
	        
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