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Ruderboot und fahren gemächlich hinab, besteigen den Niederwald und
diese und jene Burg und kehren mit dem Dampfschiff zurück. Man kann
des Morgens früh hier abgehn, 8 Stunden in Rüdesheim, Bingen,
Rheinstein usw. bleiben und abends wieder hier fein. Meine Er¬
nennung hier scheint nun doch sicher zu sein. . . .
An seinen Schwager, Herrn von Arnim.
4.
Reinfeld, 16. August 1861.
Mein geliebter Oskar,
soeben erhalte ich die Nachricht von dem schrecklichen Unglück, welches Dich
und Malwine betroffen hat. Mein erster Gedanke war, sogleich zu Euch
zu kommen, aber ich überschätzte damit meine Kräfte. Die Kur hat mich
angegriffen, und der Gedanke, sie plötzlich abzubrechen, fand so entschiednen
Widerspruch, daß ich mich entschlossen habe, Johanna allein reisen zu
lassen. Ein solcher Schlag geht über den Bereich menschlicher Tröstung
hinaus, und doch ist es ein natürliches Verlangen, denen, die man liebt,
im Schmerz nahe zu sein und mit ihnen gemeinschaftlich zu klagen. Es
ist das einzige, was wir vermögen. Ein schwereres Leid konnte Dich nicht
wohl treffen; ein so liebenswürdiges und freudig gedeihendes Kind auf
diese Weise zu verlieren*) und mit ihm alle Hoffnungen zu begraben, die
die Freude Deiner alten Tage werden sollten, darüber wird die Trauer
nicht von Dir weichen, so lange Du auf dieser Erde lebst; das fühle ich
Dir nach mit tiefem schmerzlichen Anteil. Wir sind in Gottes gewaltiger
Hand rechtlos und hülflos, so weit er selbst uns nicht helfen will, und
können nichts tun, als uns in Demut unter seine Schickung beugen. Er
kann uns alles nehmen, was er gab, uns völlig vereinsamen lassen, und
unsre Trauer darüber würde um so bittrer sein, jemehr wir sie in Hader
und Auflehnen gegen das allmächtige Walten ausarten lasten. Mische
Deinen gerechten Schmerz nicht mit Bitterkeit imb Murren, sondern ver¬
gegenwärtige Dir, daß Dir ein Sohn und eine Tochter bleibt, und daß
Du mit ihnen, und selbst in dem Gefühl, ein geliebtes Kind 15 Jahre
lang besessen zu haben, Dich als gesegnet betrachten mußt im Vergleich
mit den vielen, welche Kinder niemals gehabt und Elternfreuden nicht ge¬
kannt haben. Ich will Dir nicht mit schwachen Trostgründen lästig
werden, sondern Dir nur in diesen Zeilen sagen, wie ich als Freund und
Bruder Dein Leid wie mein eignes fühle und bis ins Innerste davon
ergriffen bin. Wie verschwinden alle kleinen Sorgen und Verdrießlich¬
keiten, welche unser Leben täglich geleiten, neben dem ehernen Auftreten
wahren Unglücks, und ich empfinde wie ebensoviele Vorwürfe die Er-
*) Detlev v. Arnim fand seinen Tod bei der Entenjagd durch Entladung des
Gewehrs.