Heringen zusammen. Und keine Luft zum Atmen! Der feuchte Stein¬
kohlenrauch brennt in der Kehle, ätzt in den Augen unb macht die Haut
klebrig. Aus Mangel an Sauerstoff wird's einem im Kopfe immer wüster,
und man starrt in dumpfer Hilflosigkeit nach den gelbroten, flackernden
Gasstammen an der Decke.
Endlich treffen wir an unserer Station ein. Von allen Seiten
gestoßen durch die lärmende Menschenmenge, die wir nur hören und
fühlen, nicht aber sehen können, werden wir nach der schlüpfrigen Treppe
gedrängt, die zur Straße hinaufführt, und befinden uns dann schließlich nach
überstandener Mühe und Not in vollkommener Nacht. Alle Gaslaternen
sind angezündet, alle Läden völlig erleuchtet, als wäre es um zehn Uhr
abends und nicht um zehn Uhr morgens; doch das hilft alles nichts.
Es ist fast schlimmer als eine richtige natürliche Nacht.
Auf allen Seiten sehen wir uns umgeben von einer undurchdringlichen,
schmutzigbraunen Wolkenwand, vor der wir keinen Vorüberkommenden
eher erkennen können, als bis wir in Gefahr sind, mit ihm zusammen¬
zustoßen, und in der die roten, halberstickten Gasflammen über unserem
Kopfe unsichtbar bleiben, bis wir den Laternenständer mit dem Spazier¬
stocke zu berühren vermögen. Wir hören das Geräusch von Wagen und
das Anrufen von Kutschern, sehen aber nichts, bevor nicht das Rad einer
Droschke an die Fnßsteigkante anprallt und auf unserem Rockärmel einen
Schmutzstreifen hinterläßt. Es wäre geradezu lebensgefährlich, jetzt eine
Straße zu kreuzen, ohne die vorzügliche Dressur der Londoner Pferde,
die keinen Menschen umreißen, solange das irgend zu vermeiden ist. Die
Kutscher rufen und warnen unausgesetzt, und die große Menge tappt sich
mit den Händen an den Hausmauern hin, staut sich unmittelbar vor den
großen erleuchteten Schaufenstern oder sucht in Omnibussen oder Droschken
Zuflucht. Auf dem Verdeck eines Omnibusses sitzend, kommt es einem
vor, als schwämme man in einer merkwürdigen Wolkenschicht; das
Straßenpflaster ist unter dem Nebel gänzlich versteckt, unb man erkennt
nur unklar das Verdeck der nächsten Wagen und die Omnibusführer,
die mit großen Laternen dicht vor den Pferden hergehen. Dagegen
vermag man von dem erhöhten Standpunkte aus die Dächer und die
oberen Stockwerke der Häuser ganz deutlich zu erkennen. Die dichte, in
den Straßen lagernde Nebelschicht ist nämlich nur etwa sechs bis neun
Meter hoch.
In jeder anderen Stadt außer in London würde der Verkehr unter
solchen lebensgefährlichen Umständen stocken, da der einzelne Fußgänger
durch undurchdringliche Finsternis vollständig abgeschlossen ist, so daß es
fast unmöglich ist, einen Weg zu finden, weil die Häuser ganz unsichtbar
sind. Die Gewandtheit der Londoner Kutscher und die Dressur ihrer
Pferde überwinden jedoch auch solche Hindernisse. Die beiden, je eine
Straßenhälfte bedeckenden Wagenströme stehen niemals still, sondern mäßigen