Full text: [Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 5 = Kl. 3, 2 u. 1, [Schülerbd.])

Heringen zusammen. Und keine Luft zum Atmen! Der feuchte Stein¬ 
kohlenrauch brennt in der Kehle, ätzt in den Augen unb macht die Haut 
klebrig. Aus Mangel an Sauerstoff wird's einem im Kopfe immer wüster, 
und man starrt in dumpfer Hilflosigkeit nach den gelbroten, flackernden 
Gasstammen an der Decke. 
Endlich treffen wir an unserer Station ein. Von allen Seiten 
gestoßen durch die lärmende Menschenmenge, die wir nur hören und 
fühlen, nicht aber sehen können, werden wir nach der schlüpfrigen Treppe 
gedrängt, die zur Straße hinaufführt, und befinden uns dann schließlich nach 
überstandener Mühe und Not in vollkommener Nacht. Alle Gaslaternen 
sind angezündet, alle Läden völlig erleuchtet, als wäre es um zehn Uhr 
abends und nicht um zehn Uhr morgens; doch das hilft alles nichts. 
Es ist fast schlimmer als eine richtige natürliche Nacht. 
Auf allen Seiten sehen wir uns umgeben von einer undurchdringlichen, 
schmutzigbraunen Wolkenwand, vor der wir keinen Vorüberkommenden 
eher erkennen können, als bis wir in Gefahr sind, mit ihm zusammen¬ 
zustoßen, und in der die roten, halberstickten Gasflammen über unserem 
Kopfe unsichtbar bleiben, bis wir den Laternenständer mit dem Spazier¬ 
stocke zu berühren vermögen. Wir hören das Geräusch von Wagen und 
das Anrufen von Kutschern, sehen aber nichts, bevor nicht das Rad einer 
Droschke an die Fnßsteigkante anprallt und auf unserem Rockärmel einen 
Schmutzstreifen hinterläßt. Es wäre geradezu lebensgefährlich, jetzt eine 
Straße zu kreuzen, ohne die vorzügliche Dressur der Londoner Pferde, 
die keinen Menschen umreißen, solange das irgend zu vermeiden ist. Die 
Kutscher rufen und warnen unausgesetzt, und die große Menge tappt sich 
mit den Händen an den Hausmauern hin, staut sich unmittelbar vor den 
großen erleuchteten Schaufenstern oder sucht in Omnibussen oder Droschken 
Zuflucht. Auf dem Verdeck eines Omnibusses sitzend, kommt es einem 
vor, als schwämme man in einer merkwürdigen Wolkenschicht; das 
Straßenpflaster ist unter dem Nebel gänzlich versteckt, unb man erkennt 
nur unklar das Verdeck der nächsten Wagen und die Omnibusführer, 
die mit großen Laternen dicht vor den Pferden hergehen. Dagegen 
vermag man von dem erhöhten Standpunkte aus die Dächer und die 
oberen Stockwerke der Häuser ganz deutlich zu erkennen. Die dichte, in 
den Straßen lagernde Nebelschicht ist nämlich nur etwa sechs bis neun 
Meter hoch. 
In jeder anderen Stadt außer in London würde der Verkehr unter 
solchen lebensgefährlichen Umständen stocken, da der einzelne Fußgänger 
durch undurchdringliche Finsternis vollständig abgeschlossen ist, so daß es 
fast unmöglich ist, einen Weg zu finden, weil die Häuser ganz unsichtbar 
sind. Die Gewandtheit der Londoner Kutscher und die Dressur ihrer 
Pferde überwinden jedoch auch solche Hindernisse. Die beiden, je eine 
Straßenhälfte bedeckenden Wagenströme stehen niemals still, sondern mäßigen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.