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vorgezeigt: „O, welche Pracht! Welche Ware ist das! Seht, da geht
die Sonne auf!" — „Nein, nein! Hier sind die wahren Melonen! Der
dort hat nur den Mond, die wirkliche Sonne seht ihr hier. Acht Soldi
die ganze, vier die halbe, wer sie hier ißt, drei!" Der Widersacher
spaltet nun ans dem Haupte eines Buben gewandt mit einem Messerstreich
eine andere der gepriesenen Früchte, staunt selbst und ruft: „Ach! das
achte Wunder der Welt! Blickt her, wenn ihr Augen habt! Welcher
Glanz! Feuer! Feuer!" — „Vesuv! Vesuv!" tönt es vom Gegenüber.
„Ätna, Ätna hier!" — Aber auch damit ist die höchste Steigerung noch
nicht erreicht; denn der Nebenbuhler spielt den letzten Trumpf aus mit
dem Schrei: „Hier seht ihr die Hölle mit allen Teufeln!" Da legt denn der
Kollege Messer und Melone hin, stemmt die Arme in die Seiten und
spricht höhnisch: „Jetzt wollen wir doch einmal abwarten, was du uns
noch zu sagen hast!" Damit geht das Wortgefecht von neuem los.
In gleicher Weise schreit daneben der Brotkuchenbäcker, der fett¬
triefende Waffelbäcker, der seine Waffeln auf kleinem Tuffsteinherde in
Fett und Öl bäckt und zum „Schwelgen" auffordert. Zwischen diese
Händlergrnppe drängen sich Leute, die allerlei Hausgeräte, Körbe, Bürsten
u. dgl. zum Verkauf anbieten, und auch in den Straßen Neapels fehlt
nicht der Mann mit alten Sachen, der Trödler, der unermüdlich die
Straßen durchwandert und Käufer und Verkäufer in einer Person ist.
Die meiste Aufmerksamkeit erregt der durchziehende Fischhändler.
Bronzefarben, schlank und hager, aber voll Federkraft, in seinen Zügen
ein Gemisch von Verschlagenheit, Geldgier und Mißtrauen, stürzt er an
heißen Tagen, wo seine Ware gar bald verderben könnte, mit Tiger¬
sprüngen durch die Straßen. „Jetzt, jetzt eben hab' ich sie ans dem
Netze genommen. Seht, sie zappeln noch, sie springen von selbst in die
Pfanne!" Beim Feilschen um den Preis geht es bei diesen Händlern
oft recht schlimm zu, und wütend läuft er die Treppen hinab, um doch
zwei-, dreimal zurückzukehren. Ruhiger ltnb geduldiger ist der Austern¬
händler, der seinen Stand mit seinen Berufsgenossen ehedem in langer
Reihe in dem berühmten Santa Lucia hatte, von wo ihn die Neuzeit
bald ganz vertreiben wird.
Das Meer bietet den Küstenbewohnern noch andere Genüsse. Dazu
wird auch der Tintenfisch gerechnet, der im Volke noch immer Polyp
genannt wird. Ihm ist in den Straßen Neapels ein eigener Verkaufs¬
stand gewidmet, und er wird von den kleinen Leuten sehr geschätzt, da er
so lange im Magen zu spüren ist. Der Polyp wird in seinen: eigenen
Safte gekocht und mit etwas Salz und Zitronensaft verschlungen.
Die Makkaroni! Wollte man alle ihre Sorten, ihre Herstellung und
Bereitung genauer beschreiben, so würde das ein Kapitel für sich er¬
fordern. Neapel steht in den: Rufe, mit besonders guten Makkaroni ver¬
sorgt zu sein. Diese kommen zum größten Teil aus Amalfi und werden