Full text: [Teil 4 = Kl. 2 u. 1, [Schülerbd.]] (Teil 4 = Kl. 2 u. 1, [Schülerbd.])

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glänzender, lockender Sonnenschein durch alle Ritzen, als frage er, 
ob denn nun nicht alles fertig sei. 
Es wurde eingestiegen. Uns, denen die Mitte zugedacht war, 
führte der Graf durch einen schmalen Gang aus der vorderen 
5 Gondel unter dem Bauche des Drachen dahin. Der Stuhl war an 
einer Aluminiumstange angebunden. Wir saßen wie auf einem 
Balkon und warteten des Rauschens und Brausens. Achtung, Luft¬ 
schiff voran! Es klirrt und klingelt und surrt und brummt, und 
das Fabelwesen rutscht zunächst auf irgend welchen Schienen oder 
10 Bohlen abwärts, bis wir vor der Halle liegen und alles vom Licht 
übergössen um uns herumwogt — die weißen und bunten Kleider 
auf den Kähnen, die Köpfe auf den Dampfschiffen, die blauen 
Wellen, die Bäume am Ufer, das Königsschloß und die Wolken. 
Leise aber hebt sich unser Platz. Wir zwar merken nur, daß alle 
15 diese Dinge sich verschieben und sinken. Wie klein die Kähne 
sind! Und auch die Schiffe! Und wie groß der See wird, wenn 
man höher steigt! Und wie das Land da hinten aufsteigt, grün 
und blau, mit Häusern und Kirchen und wunderbarer Ferne! Und 
während wir steigen, braust wieder der Zuruf: „Zeppelin hoch!“ 
20 Wie soll ich nun die Fahrt beschreiben? Sie war so unendlich 
einfach, denn alles ging wie von selber. Kein Stoß, kein Rauch. 
Etwas Rauch entsteht zwar; aber wir merken nichts davon. Wir sitzen, 
als ob wir an hoher Küste über das Meer blicken, nur noch freier 
und heller. Ich habe auf manchem hohen Berge gestanden, auf 
25 manchem Turm im Inland und Ausland und bin dreimal mit dem 
Fesselballon aufgefahren, einmal über Berlin, einmal über Düssel¬ 
dorf und einmal über Paris. Alles dieses wacht jetzt wieder auf. 
So lag auch damals Land, Fluß und Stadt da drunten, so winzig 
waren die Gebäude, so wunderbar die Wälder, so duftig blau und 
30 silbern die Weite; aber es ist heute doch eine andere Sache, denn 
wir steigen nicht einfach in die Höhe, sondern ändern beständig 
den Platz. Es scheint zwar, als ob wir in olympischer Ruhe be¬ 
harren und nur der Erdkreis unter uns sich das Vergnügen macht, 
sich in wechselnden Lagen vor uns zu entfalten. 
35 Vom ersten Augenblick an war das vollkommenste Gefühl der 
Sicherheit vorhanden. Weil wir in der Mitte saßen, fehlte gerade 
uns die Beobachtung der mechanischen Vorgänge; aber das hatte 
auch seine sehr großen Vorteile, denn so verlor sich der Gedanke 
an alles Gemachte, und man lebte einen Traum. Alles sieht dabei 
40 so ungewohnt aus, anders geformt und anders beleuchtet. Wahr¬ 
scheinlich würde der Eindruck viel besser sein, wenn der Himmel 
grau und trübe wäre; heute aber hat jedes Ding da unten seinen 
Schatten, und meist erscheinen die Schatten dem Auge deutlicher
	        
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