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gelastet; ergeben und erhoben blickte dies neue Geschlecht wieder mit
festem Vertrauen zu „dem alten deutschen Gott" empor und hoffte mit
seinem Dichter:
Wer fällt, der kann's verschmerzen,
Der hat das Himmelreich.
Als die ersten Freiwilligen nach Breslau zogen, sangen sie noch
das Reiterlied der Wallensteiner. Bald aber schuf sich das Heer seine
eigenen Gesänge. Unversieglich wie einst den frommen Landsknechten
floß den neuen Wehrmännern der Quell der Lieder. Beim Ausmarsch
klang es: „Die Preußen haben Alarm geschlagen!" und dann schlang
sich ein dichter Kranz kunstloser Volksweisen um jedes Erlebnis des
langen Krieges, bis zuletzt der fröhliche Zapfenstreich: „Die Preußen
haben Paris genommen!" noch einmal'ein Zeugnis gab von der kriegs¬
mutigen und doch zugleich tief innerlich friedfertigen Stimmung dieses
Volkes in Waffen.
17. ver 6mmarlcb m kökmen.
Von veltev von Litiencron.
Kriegsnovellen. 13. Aufl. Berlin 1902. 8. 4.
Vpi^ir lagen gegen Ende Juni 1866 in der schönen Provinz Schlesien
seit etwa vierzehn Tagen auf einem Schlosse, das einem alten
Edelfrüulein gehörte. Mit vaterlandsliebendem Herzen trug sie die große
Last der Einquartierung. Mit gleicher Sorgfalt wachte sie, daß wir
siebennndzwanzig Offiziere es so gut wie denkbar hatten, als auch, daß
es jedem Füsilier, jedem Dragoner an dem nimmer fehlen möchte, was
ihnen nach anstrengendem Dienste das Leben auf ihrem Gute angenehm
machen könnte. Sie war persönlich unermüdlich.
Eines Tages beim Mittagessen hatte eben die Regimentsmusik im
Garten den Hohenfriedberger, den prächtigen Schlachtenzünder und Sieg-
entflammer, beendet, da erhob sie sich und hielt folgenden Trinkspruch:
„Meine Herren! In jeder Minute erwarten wir den Krieg. Sie
ziehen ihm entgegen. Stahl und Eisen wünsch' ich in Ihre Arme
gegossen. Möchten Sie Ihren Frauen und Kindern, möchten Sie allen
denen, die Sie lieben, zurückkehren! Doch soll's nicht sein, nun, meine
Herren, dann sterben Sie den beneidenswertesten Tod, den Tod fürs
Vaterland. Ihnen allen voran zieht der König. Begeistert werden
Sie nach der Schlacht ihn umringen und ihm die teueren, tapferen
Hände küssen. Das Vaterland sieht auf Sie! Es lebe der König!"
Sie stand wie eine Seherin. Dann hob sie das Glas und trank es
aus. Lautlose Stille folgte. Schon wollten wir sie umdrängen, mit ihr
anzustoßen — schon wollten wir stehend das alte schöne Königs- und
Vaterlandslied anstimmen, als eine der Flügeltüren aufgerissen wurde.