Ein stark bestaubter Ulan trat ein, sah sich kurz im Kreise um und schritt
dann lebhaft zum Divisionsgeneral. Vor ihm in strammer Haltung stehen
bleibend, überreichte er mit der Rechten in schnellem Schwung ein großes,
versiegeltes Schreiben: „Exzellenz sofort eigenhändig abzugeben." Der
General erbrach es. Schweigen des Todes. Dann sah er auf und sagte:
„Meine Herren, der Krieg ist erklärt!" Und wieder geschah's, daß nicht
sofort bei uns der Jubel ausbrechen konnte. Die Nachricht, stündlich er¬
wartet, war doch zu überwältigend. Doch bald schlugen in hoher Erregung
unsere Soldatenherzen.
Schon nach einer Stunde waren wir auf dem Marsche an die
Grenze. Es wollte zuerst keine rechte Stimmung aufkommen. Zu ge¬
waltig in uns allen drängte sich der Gedanke: Wir sind im Kriege.
Aber dann, als der volle Mond unsern Helmen und Gewehren seinen
beruhigenden Glanz lieh, als wir ans den Bergen die Feuerzeichen brennen
sahen, begann bald hier, bald dort ein leises Gespräch mit dem Neben¬
mann, bald hier, bald da, wie aus Träumen, wollte der Gesang anheben.
Und endlich tönte eines der schwermiitigen, wie mit finsterer Stirn ge¬
sungenen Lieder meiner Westfalen. Und dann, nun dann wechselten die
alten, lieben, lustigen Soldatengesänge.
Vor der Kompagnie ritt schweigend unser Hauptmann. Alle, wir
Offiziere nicht zum wenigsten, waren ihm schwärmerisch zugetan. Es gab
kein schöneres Soldatengesicht. Wie ihm der dicke, lange Schnurrbart
vom Winde an die gebräunten Backen geweht wurde! Wie klug sein
Auge schaute! Er sprach nicht viel: ein gleichmäßiger, stillheiterer Ernst
verließ ihn nie. In strengster Pflichterfüllung, in rastlosem Sorgen für
das Wohl seiner Mitmenschen und im besonderen seiner Kompagnie fand
er seine Ruhe, sein Glück.
Und munter marschierten wir in die Nacht hinein. Der Schritt
kam uns heute schneller vor. War es das gute Fieber im Soldaten vom
Höchstkommandierenden bis zum Tambour, an den Feind zu kommen?
Plötzlich wurde Halt befohlen. Die Kompagnien marschierten auf.
Wachen und Posten wurden ausgestellt. Feldwachen und Patrouillen
gingen ins Vorland. Das Bataillon biwakierte.
Früh am andern Morgen waren wir schon wieder unterwegs. Es
wurde unerträglich heiß. Der Durst, dieser furchtbarste Feind des Sol¬
daten, quälte uns. Wir sahen wie Schornsteinfeger aus. Durch die dicke
Staubkruste auf unsern Gesichtern bahnte sich der Schweiß Furchen und
Rinnen, dann tröpfelte er auf Schultern, Brust und Nacken. Der Kragen
war schon durchnäßt. Gewehr und Tornister drückten schwer. Gesang
und Gespräch waren längst verstummt. Jeder blickte nur mit starren
Augen auf die Fersen seines Vordermannes.
Da blitzt uns ein Dorf entgegen! Einige Leute werden vorgeschickt,
die Bauern mit Wasser an die Türen zu stellen. Dann kamen wir nach.