Full text: Deutsche Prosa und Poesie (Teil 4, [Schülerbd.])

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9- Wie seltsam traf's das Ohr 
nur jetzt aus fremdem Munde! 
Lin Heimweh zuckt' empor 
in meines kferzens Grunde. 
f0. Ich lauschte, bis der Klang 
zerfloß in Windesweben; 
doch sah ich drauf noch lang' 
das Schifflein glänzend schweben. 
U- Ls zog dahin, dahin — 
still saß ich, rückwärts lugend; 
mir war's als führe drin 
von dannen meine Jugend. 
Gtediebte. Stuttgart. 71. Aufl. J. Gr. Cotta. 1873. 
3. Sanssouci. 
\. Dies ist der Königspark. Rings Bäume, Blumen, Basen; 
sieh, wie ins Muschelhorn die Steintritonen blasen! 
Die Nymphe spiegelt klar sich in des Beckens Schoß; 
sieh hier der Flora Bild in hoher Rosen Mitten, 
die Laubengänge sieh, so regelrecht geschnitten, 
als wären's Verse Boileaus. 
2. Vorbei am lust'gen bfaus voll fremder Vögelstimmen 
laß uns den lhang empor zu den Terrassen klimmen, 
die der Orange Wuchs umkränzt mit falbem Grün; 
dort oben ragt, wo frisch sich Tann' und Buche mischen, 
das schmucklos heitre Schloß mit breiten Fensternischen, 
darin des Abends Feuer glühn. 
3. Dort lehnt ein Mann im Stuhl; sein Haupt ist vorgesunken, 
sein blaues Auge sinnt, und oft in Hellen Funken 
entzündet sich's; so sprüht aus dunkler Luft ein Blitz. 
Lin dreigespitzter Hut bedeckt der Schläfe Weichen, 
sein Krückstock irrt im Sand und schreibt verworrne Zeichen 
nicht irrst du, das ist König Fritz. 
ch Lr sitzt und sinnt und schreibt. Kannst du sein Brüten deuten? 
Denkt er an Kunersdorf, an Roßbach oder Leuthen, 
an Hochkirchs Nacht, durchglüht von Flammen hundertfach? 
IVie dort in: roten Oualni gegrollt die Feldkanonen, 
indes die Reiterei mit rasselnden Schwadronen 
der Grenadiere Viereck brach? 
5. Schwebt ein Gesetz ihm vor, mit dem er weis' und milde 
sein schlachterstarktes Volk zu schöner Menschheit bilde, 
ein Friedensgruß, wo jüngst die Kriegespauke scholl? 
Lrsinnt er einen Reim, der seinen Sieg verkläre, 
oder ein Epigramm, mit dem bei Tisch Voltaire, 
der Schalk, gezüchtigt werden soll? 
6. Vielleicht auch treten ihm die Bilder nah, die alten, 
da er im Mondenlicht in feines Schlafrocks Falten 
die sanfte Flöt' ergriff, des Vaters Ärgernis;
	        
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