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Sechstes Buch. Fünfter Abschnitt.
erwerbung Schlesiens. Dafür schien das Glück den gebeugten Kaiser Karl
VII. wieder aufrichten zu wollen; aber plötzlich starb derselbe (am 20. Ja¬
nuar 3745); die Kaiserkrone war ihm eine Dornenkrone gewesen; er hatte
einem eitlen Prunk die Freude seines Lebens und leider auch das Wohl
seines Volkes aufgeopfert; die erste und größte Wohlthat, welche er diesem
erwies, war, — daß er starb. Denn sein Sohn, der Kurfürst Marimilian
Joseph, ein junger Fürst von wohlwollenden Gesinnungen, schloß am 22.
April desselben Jahres zu Füssen einen Vertrag mit Oesterreich, worin er
allen Ansprüchen auf das österreichische Erbe entsagte, die pragmatische
Sanktion anerkannte und um einen schönen Preis, nämlich für die Ruhe
und das Glück seines Volkes, dem Gemahl Marien Theresiens, dem Gro߬
herzog Franz Stephan von Toskana, seine Kurstimme zur Kaiserwahl gab.
Dieser wurde auch wirklich am 13. September 1745, als Franz I., zum
deutschen Kaiser gewählt; — er war ein vortrefflicher und achtungswerther
Privatmann, aber die Regierung leitete ausschließlich seine Gemahlin, Ma¬
ria Theresia, mit hohem männlichen Geiste; Franz I. fühlte ihre Ueber-
legenheit und fügte sich willig darein.
Durch den Frieden Oesterreichs mit Baiern kam nun Friedrich II. in
große Bedrängniß. Aber wie er jetzt, bloß auf seine eigene Kraft angewie¬
sen, gegen die Uebermacht stand, bewies er seine großen Feldherrntalente
aufs Glänzendste. Er drang in die Lausitz ein und siegte am 4. Juni bei
Hohenfriedberg und Striegau, worauf sich die Oesterreicher nach Böh¬
men zurückzogen. Indessen war der preußische Feldmarschall, Fürst Leopold
von Dessau in Sachsen eingefallen, traf die Sachsen am 15. December
1745 bei Kesselsdorf und gewann den Sieg. Die Folge desselben und
eines Sieges der Preußen bei Sorr (am 30. September) war, daß Maria
Theresia mit Friedrich II. zu Dresden (am 25. December 1745) Frieden
schloß und ihm zum zweiten Male Schlesien überließ; mehr verlangte Frie¬
drich nicht und erkannte ihren Gemahl als Kaiser an; Sachsen aber mußte
an Preußen eine Million Thaler bezahlen. Frankreich setzte nun den Krieg
gegen Oesterreich noch in den Niederlanden und Italien fort, bis endlich
1748 zu Aachen Friede geschlossen wurde, dem zufolge Friedrich II. den
Besitz Schlesiens, Oesterreich die Aufrechthaltung der pragmatischen Sanktion
verbürgt erhielt. Oesterreich und Preußen standen nun als die mächtigsten
Staaten in Deutschland da, blieben aber fortwährend Nebenbuhler.
König Friedrich II. entfaltete im Frieden eine erstaunliche Thätigkeit
als Regent. Mit jener durchgreifenden Entschiedenheit, welche großen Gei¬
stern eigen ist und welche bei unumschränkten Monarchen auch oft zur Härte
wird, ordnete er das Staatswesen, den Anbau des Landes, die Gerechtigkeits¬
pflege, die Finanzen. Sein Geist durchdrang Alles, — ein strenger, mili¬
tärischer, aber edelwollender Geist; sein Wille leitete Alles, oft nach bloßer
Willkür, aber stets aus redlicher Absicht. Besondere Sorgfalt verwendete
er auf die Kraft seines Heerwesens, und zwar mit gutem Grund, weil das
rasche Aufblühen des jungen preußischen Staates schon die Eifersucht der
Mächte Europas, besonders der nächsten Nachbarn, Oesterreichs unb Ru߬
lands, erregte. Bei dieser Begünstigung des Soldatenstandes hatte freilich
das Volk in Preußen, außer seinen alten Lasten, auch noch bald Vorspann,
bald Lieferungen in die Vorrathskammer zu leisten, und zwar zu bestimmten
Preisen; die Landeskinder wurden aus ihren Familien, von ihren Beschäfti¬
gungen genommen und zu Soldaten gemacht, während die Volksschulen,
diese wichtige Grundlage des Volkswohles, noch sehr vernachlässigt blieben.