Full text: Dichtung der Neuzeit (Teil 2, [Schülerbd.])

§ 39. Goethes dramatische Werke. 
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mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltig sich vom Dust Zu den Gefilden 
hoher Ahnen". In dieser Stimmung umkreist ihn der Pudel, der im Hause sich als 
Mephistopheles entpuppt, als der Geist, der stets verneint. Mit ihm schließt Faust 
den verhängnisvollen Pakt, daß Mephistopheles ihn in Fesseln schlagen möge, wenn 
er schmeichelnd ihn belügen und mit Genuß betrügen könne. „Werd' ich beruhigt 
je mich auf ein Faulbett legen, So sei es gleich um mich gethan! .. . Werd' ich zum 
Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln 
schlagen, Dann will ich gern zu Grunde geh'n!" Nun geht es in Übereinstimmung 
mit dem ältesten Faustbuche vom Jahre 1587 zur „Weltfahrt", zu Auerbachs Keller 
und zur Hexenküche, wo Faust einen Verjüngungstrunk erhält. Aber weder das 
wilde Zechgelage noch das zauberische Hexenwesen vermag ihn zu befriedigen. Da 
führt ihn Mephisto zu „dem schönsten Bild von einem Weib", zu Gretchen, deren 
Anblick ihn sofort mit feurigster Liebe erfüllt. Mit Hülfe der Nachbarin Martha ist 
bald eine Zusammenkunft zwischen Faust und Gretchen ohne der Mutter Vorwissen 
herbeigeführt. Naiv und unschuldig und von hingebendster Liebe zu Faust gefesselt, 
widersteht sie dem Drängen des Geliebten nicht und giebt auf Fausts Geheiß ihrer 
Mutter drei Tropfen eines Schlaftrunkes, der dieselbe zur ewigen Ruhe hinüberführt. 
Auch ihr wackerer Bruder Valentin, der ihre angegriffene Ehre rächen will, fällt dem 
Schwerte Faustens zum Opfer. Während darüber tiefes Leid und schwere Reue 
Gretchens Herz bedrücken, wird Faust entführt von Mephisto zu dem wüsten Treiben 
der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg, bis er mit Entsetzen die Not Gretchens 
erfährt, die in ihrer Verzweiflung auch die Mörderin ihres Kindes geworden und 
der weltlichen Gerechtigkeit verfallen ist. Sie aus Kerkersnot zu befreien, ist nun 
Faustens Streben, wozu Mephisto ihm Hülfe leisten soll. Aber von Wahnsinn um¬ 
nachtet, wenn auch ihrer Liebe noch nicht vergessend, weigert sich Gretchen, ihm zu 
folgen, da sie sich dem Gerichte Gottes übergeben will. Ihre Neue tilgt die Schuld, 
so daß, als Faust und Mephisto beim Morgengrauen von dannen eilen, eine Stimme 
ruft: „Sie ist gerettet!" 
Mit diesem wahrhaft tragischen Schluß endet der erste Teil, der 
reich ist an poetischer Fülle, Wahrheit und Schönheit. 
Der zweite Teil, in welchen Goethe nach seinem eigenen Worte 
viel „hineingeheimnist" hat, ist mehrfach dunkel, so daß auch heute noch 
einzelne Stellen des Versuches richtiger Erklärung spotten. Der Dichter 
entwickelt in demselben die Idee, daß ernstes Streben die Schuld 
des Menschen sühne. Faust findet in der Thätigkeit für das Wohl seiner 
Mitmenschen seine Befriedigung. „Nur der verdient sich Freiheit wie das 
Leben, Der täglich sie erobern muß." Wenn er daher auch ausruft: 
„Solch ein Gewimmel möcht' ich seh'n, Auf freiem Grund mit freiem Volke 
steh'n. Zum Augenblicke dürft' ich sagen: Verweile doch, du bist so schön!" 
so kann seine Seele doch Mephisto nicht anheimfallen, sein Unsterbliches 
wird vielmehr, da er durch sein Streben in werkthätiger Menschen¬ 
liebe entsühnt ist, von den Engeln zum Himmel getragen. 
„Faust" ist nicht allein das Lebenswerk des Dichters, er enthält 
auch unverkennbare Züge von ihm selbst: „Wie er, hatte auch ich mich 
in allem Wissen umhergetrieben und war früh genug auf die Eitelkeit
	        
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