§ 15. Oden und Lieder von Klopstock.
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Genesung gabst du mir, gabst Mut und Entschluß
In Gefahren des nahen Todes!
Und sah ich sie etwa, die schrecklichen unbekannten,
Die weichen mußten, weil du der Schirmende warst?
Sie flohen davon, und ich habe gesungen,
Versöhner Gottes, des neuen Bundes Gesang!
Durchlaufen bin ich die furchtbare Laufbahn!
Ich hofft' es zu dir!
13. Mein Vaterland.
(1768.)
So schweigt der Jüngling lang,
Dem wenige Lenze verwelkten,
Und der dem silberhaarigen, thatenumgebenen Greise,
Wie sehr er ihn liebe, das Flammenwort hinströmen will.
Ungestüm fährt er auf um Mitternacht,
Glühend ist seine Seele.
Die Flügel der Morgenröte wehen, er eilt
Zu dem Greis, und saget es nicht.
So schwieg auch ich. Mit ihrem eisernen Arm
Winkte mir stets die strenge Bescheidenheit.
Die Flügel wehten, die Laute schimmerte
Und begann von selber zu tönen; allein mir bebte die Hand.
Ich halt' es länger nicht aus! Ich muß die Laute nehmen,
Fliegen den kühnen Flug,
Reden, kann es nicht mehr verschweigen,
Was in der Seele mir glüht!
O, schone mein — dir ist dein Haupt umkränzt
Mit tausendjährigem Ruhm; du hebst den Tritt der Unsterblichen
Und gehest hoch vor vielen Landen her —
D, schone mein! Ich liebe dich, mein Vaterland!
Ach, sie sinkt mir, ich hab' es gewagt!
Es bebt mir die Hand die Saiten herunter;
Schone, schone! Wie wehet dein herrlicher Kranz!
Wie gehst du den Gang der Unsterblichen daher!
Ich seh' ein sanftes Lächeln,
Das schnell das Herz mir entlastet;
Ich sing' es mit dankendem Freuderuf dem Wiederhall,
Daß dieses Lächeln mir ward.
Früh hab' ich dir mich geweiht. Schon da mein Herz
Den ersten Schlag der Ehrbegierde schlug,
Erkor ich, unter den Lanzen und Harnischen
Heinrich, deinen Befreier, zu singen.