Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte für Schulen

167 
die Hände ausstrecken. Im Angesichte der heiligen Stadt starben 
viele vor Hunger und Kälte. Immer lauter und dringender wurden 
die Klagen in Europa über die vielfachen Leiden der Pilger. 
Peter von Amiens. — Im Jahre 1094 kam ein frommer 
Einsiedler, Peter von AmienS (im nördlichen Frankreich), von 
seiner Wallfahrt nach dem heiligen Lande zurück. Er machte die 
rührendsten Schilderungen von der Noth der Christen im heiligen 
Lande und überbrachte dem Papste zugleich ein Schreiben vom Pa¬ 
triarchen zu Jerusalem, in welchem dieser auf das Dringendste um 
Hülse bat. Der Papst versprach Unterstützung und trug dem Peter 
auf, die Herzen des Volkes für dieselbe zuvor zu erwärmen und zu 
begeistern. Da setzte sich Peter barfuß und mit entblößtem Haupte, 
angethan mit einem Pilgerkleide, auf einen Esel, umgürtete seinen 
von Hunger und Mühseligkeiten aller Art abgezehrten Leib mit 
einem Stricke, nahm ein Crucifix in die Hand und ritt von Dorf zu 
Dorf, von Stadt zu Stadt. Wo er einen Haufen Menschen vor 
sich sah, hielt er sein Thier an, hob das Crucifix in die Höhe und 
schilderte mit funkelnden Augen und hinreißender Beredtsamkeit die 
Noth der christlichen Brüder im heiligen Lande. Zugleich verkündete 
er den Zorn des Himmels, wenn sie länger das Grab des Erlösers 
durch Ungläubige entweihen ließen. Wie ein Bote des Himmels 
ward er überall empfangen und verehrt. Von allen Seiten strömten 
die Menschen herbei. Sein Zug durch Frankreich uud Italien glich 
einer ununterbrochenen Prozession. 
Auch der Papst Urban II. blieb nicht unthätig. Er berief im 
Jahre 1095 eine allgemeine Versammlung nach Clermont (in 
Frankreich) und schilderte mit so rührenden und ergreifenden Worten 
das Verdienstliche eines Zuges nach dem heiligen Lande gegen die 
Türken, daß die ganze weite Ebene wiederhallte von dem einstimmi¬ 
gen Rufe: „Gott will eö! Gott will es!" Und auf der Stelle ließ 
sich eine unzählige Menge durch ein auf die Schulter geheftetes Kreuz 
zu diesem Zuge einweihen. (Daher ihr Name Kreuzfahrer; denn 
fahren heißt soviel als reisen oder ziehen.) Ueberall wurde 
jetzt das Kreuz gepredigt. Eine allgemeine Bewegung entstand im 
Volke. Freudig trennte sich der Mann von dem Weibe, das Weib 
von dem Manne, die Eltern von den Kindern, die Kinder von den
	        
No full text available for this image
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.