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Eltern. Der Landmann eilte vom Pfluge weg, der Hirt von seiner
Heerde. Mönche und Nonnen verließen ihre Zelle. Kein Stand,
kein Alter, kein Geschlecht wollte auSgeschloffen bleiben von dem
heiligen Unternehmen.
Erster Kreuzzug (1096). — Schon im Frühlinge des Jah¬
res 1096 zogen zahlreiche Scharen, die vor Eifer die allgemeine
Rüstung nicht abwarten konnten, unter Peter von Amiens, und
Walter von Habenichts, einem Ritter, der von seiner Armuth den
Beinamen führte, voraus. Aber die meisten kamen auf dem Zuge
um, theils durch Elend und Noth, theils durch das Schwert feind¬
licher Völker, durch deren Gebiet sie zogen. Glücklicher, als dieser
Vortrab, war das Haupthcer selbst, welches Gottfried von
Bouillon, Herzog von Niederlothringen, sein Bruder Graf
Balduin, Raimund, Graf von Toulouse, Boemund, Fürst
von Tarent, sein Neste Tankred und andere Helden anführten.
Der Kern des Heeres bestand aus Franzosen, Lothringern, Nor¬
mannen und Italienern. Sie setzten, sechsmalhunderttausend Mann
stark, glücklich über den Bosporus, die Grcnzscheide von Europa,
eroberten im Juni 1097 Niccia, die Hauptstadt des Sultans von
Jkonlum, nahmen im folgenden Jahre 1098'auch Antiochia ein
und näherten sich dann unter tausend Mühseligkeiten und Gefahren
der Hauptstadt Jerusalem selbst, dem Ziele ihrer Wünsche. Dem
Zuge voran eilte Tankred mit 100 auserlesenen Rittern und er¬
reichte bei anbrechendem Morgen Bethlehem. Die hier wohnenden
Christen kamen ihnen freudig entgegen, sangen Loblieder zur Ehre
Gottes, führten die Ritter zu Maria's Wohnung und zeigten ihnen
die Krippe, wo einst das Kind lag, welches die Welt erlöset hat.
Andächtig knieten und beteten die Ritter. Dann eilten sie gen Jeru¬
salem. Weit allen übrigen voraus war Tankred; er wagte sich bis
zu den Mauern der Stadt. Sobald jene zum großen Heere zurück¬
kamen und die frohe Nachricht brachten, sie hätten Bethlehem und
Jerusalem gesehen, ergriff heiße Sehnsucht die Pilger. Alle Müdig¬
keit war verschwunden, rastlos eilten sie vorwärts, jeder wollte die
heiligen Orte zuerst erblicken. Endlich erreichten sie den Gipfel
eines Berges. Da lag sie vor ihnen, die heilige Stadt, mit ragen¬
den Zinnen und Thürmen, vom Glanze der Abendsonne erhellt!