154 Zweiter Zeitraum.
dieser feine Kopf brachte zwei Großveziere, die nicht
schwedisch gesinnt waren, nach einander in die Un⸗
gnade des Sultans, und den dritten, Mehemet,
gewann er fuͤr einen Krieg gegen die Russen. Selbst
des Sultans Mutter hatte er so fuͤr Carln be⸗
geistern gewußt, daß diese ihren Sohn fragte: „Wann
willst du endlich meinem Loͤwen beistehen, daß er den
Czar verschlinge?“ — „Geh — sagte endlich Ach⸗—
met zum Vezier — und fuͤhre das Heer gegen die
Russen.“ Der Vezier antwortete; „Ich gehe; mein
Schwert in der einen und den Koͤnig an der andern
Hand fuͤhre ich ihn an der Spitze von 200000 Mann
nach Moskau!“
Wer freute sich mehr, als Carl! Im Fruͤhlinge
1711 setzte sich ein gewaltiges Tuͤrkenheer in Bewe⸗
gung, der Großvezier Mehemet selbst an der Spitze.
Die Russen wollten den Tuͤrken zuvorkommen, und
Peter (der doch nicht selbst kommandirte) ruͤckte, von
seiner Katharina begleitet, in die Moldau ein, weil
die Hospodare (Fuͤrsten) dieses Landes ihm verspro⸗
chen hatten, von der Pforte abzufallen, wenn die
Russen nur auf ihrem Boden erschienen. Als die
Russen aber da waren, konnten die Moldauer den⸗
noch ihre Furcht vor den Tuͤrken nicht ablegen.
Nicht einmal Proviant bekamen die Russen, und als
endlich der Großvezier das russische Heer am Pruth
ereilte, schlug er es 3 Tage hinter einander, so daß
40000 Russenleichen den Boden bedeckten, und den
Rest der Russen schloß er so fest ein, wie weiland
der Samnitergeneral die Roͤmer bei Caudium. „Nun
bin ich uͤbler daran — sagte Peter — als mein
Bruder Carl bei Pultawa!“ verschloß sich in sein
Zelt, und wollte verzweifeln. Selbst Kathinka durf⸗
se nicht vor ihn kommen. Aber dieser Weiberkopf
zog ihn doch noch aus der Schlinge. Sie packte al⸗
ĩe ihre Juwelen in ein Kaͤstchen, die vornehmsten
Offiziere legten noch etwas bei, und alles schickte
sie durch einen treuen Offizier an den Großvezier
und seinen Adjutanten zum Geschenk. Wie funkelten
die Augen der beiden Tuͤrken beim Anblick der blit⸗
zenden Steine! Der Großvezier bewilligte einen