Full text: Vom westfälischen Frieden bis auf unsere Tage (Bd. 7)

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dieser Akropolis wie auch des Marktes von Sparta suchten wir zu bestimmen 
und kehrten daun langsam durch den Olivenwald nach der neuen Stadt zurück, 
im Anblick des herrlichen Taygeton, des hochgelegenen Mistra und der Gebirgs- 
spalte, in welche die Langadaschlucht ausmündete, unter einem tausendstimmigen 
Froschkonzert, zumeist aber versunken in die großen Erinnerungen, welche die Örtlich¬ 
keit wachrief. 
2. 
Wohl kein Freund der altgriechischen Literatur wird Sparta besucht haben, 
dem nicht dabei durch den Sinn ging die Weissagung des Thukydides: „Wenn 
dereinst die Stadt der Lakedämonier wüste gelassen und nur jbie Heiligtümer und 
der Grund und Boden der Gebäude übrig geblieben sein würden, so würde 
meines Erachtens in der Nachwelt niemand glauben, wie berühmt einst diese 
Stadt gewesen, obwohl die Lakedämonier jetzt zwei Fünftel des Peloponnes 
wirklich in Besitz haben und die Oberherrschaft über den ganzen führen und 
über viele Bundesgenossen; denn da Sparta nie zur Stadt zusammengezogen, 
geschweige denn mit prächtigen Tempeln und andern Gebäuden ausgeschmückt 
worden, sondern nach der alten Weise Griechenlands dorfartig bewohnt ist, würde 
es in seinen Trümmern den Anschein einer geringeren Macht darbieten, als es 
wirklich besessen; wenn aber die Athener ein gleiches Schicksal erleiden würden, 
so würde man aus dem Anblick der Stadt auch in ihren Trümmern eine die 
Wirklichkeit verdoppelnde Vorstellung von ihrer Macht gewinnen." — Es ist 
Sparta im Laufe der Jahrhunderte schlimmer ergangen, als Thukydides für 
möglich hielt, es sind nicht einmal Trümmer übrig geblieben. Wir ahnen aber 
das Walten einer höheren Gerechtigkeit in dem schweren Geschick, das über die 
Stadt ergangen ist, deren Gesetzgebung die Härten des griechischen Volkscharakters 
ausbildete, ohne daß wir mit denselben durch eine hochbedeutende Arbeit am 
Fortschritt der gesamten Menschheit versöhnt werden. 
Vom gebirgigen Norden steigen etwa ein Jahrtausend vor Christo die Dorer 
herunter und besetzen die üppigen Saatfluren der Ebene. Sie schlagen ihr Lager 
oberhalb der Stadt Amyklai auf, und aus ihrem Lager wird die Stadt Sparta. 
Oder vielmehr dieser Name „Saatflur" wurde allen Wohnungen gegeben, welche 
die Dorer weithin das Tal entlang sich bauten; diese Wohnungen, einfach auch 
für die Könige, waren nicht dnrch Mauern zusammengeschlossen, hatten nur im 
Tempel der erzhansigen Athcna einen religiösen Mittelpunkt. An den Abhängen 
der Berge ringsumher wohnten die Nachkommen der früheren Bevölkerung, frei 
bestellten sie den weniger ergiebigen Boden. Aber die fetten Fluren der Spartiaten 
wurden an die politisch unfreien Heilsten verpachtet. Dreimal größer war die 
Zahl der umwohnenden Bevölkerung als diejenige der Spartiaten, und siebenmal 
größer die der Heiloten; gerade unter dem Drucke der Arbeit wuchs die Menge dieser 
Staatskncchte; da griff die Spartiatengemeinde zu einem furchtbaren' Mittel, 
welches uns der sonst so leidenschaftslose Thukydides in einer Weise schildert, 
welche seinen Abscheu merken läßt: „Sogar das Folgende haben die Spartiaten 
nicht gescheut, indeni sie vor der Menge und der Unbedachtsamkeit der Heiloten 
in Furcht waren: sie ließen bekannt machen, daß diejenigen von den Heiloten, 
welche überzeugt seien, im Kriege sich um die Spartiaten am besten verdient gemacht 
zu haben, sich zur Auswahl stellen sollten, als wollte man ihre Freilassung verfügen; 
sie wollte:! die Heiloten nur aus die Probe stellen und dachten, diejenigen unter 
ihnen, welche sobald als möglich frei werden wollten, würden auch, von Selbst¬ 
gefühl getrieben, vorkommendenfalls an: schnellsten bereit sein, ihren Herren
	        
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