Die Türken erobern Constantinopel. 165
sich mit einer auserlesenen Schaar an das kaligarische Thor,
wo die Mauer den stärksten Riß bekommen hatte. Im lür—
kischen Lager sausete schon ein dumpfes Murmeln auf, und
durch die Morxgendämmerung sah man überall geschäftige
Bewegung. Endlich donnerte die erste Kanone. Die Sturm—
maschinen schwankten heran, der Angriff geschah. Zweimal
wurden die Türken zurückgeschlagen, aber Muhammed ließ
immer frische Truppen anrücken. Pfeile und Kugeln flogen
durch einander in die Stadt, und beides erwiederten herz-
haft die Griechen. Endlich mußte der besonnene Giustiniani
schwer verwundet weggetragen werden, und das erregte un—
ter den Belagerten die erste Verwirrung. Der Kaiser suchte
die Seinen vergebens in Ordnung zu halten, und sieh,
schon standen Türken auf der Mauer. Da warf er schnell
seinen Purpur von sich, um von den Feinden nicht erkannt
zu werden, und stürzte sich nun in das dichteste Mordge—
dränge. Hier fand er den Heldentod, den er gewünscht hatte
Sein Leichnam wurde an einem der folgenden Tage fast
unkenntlich unter vielen andern hervorgezogen. Neben ihm
fielen die edelsten Griechen, die den Untergang ihres Vater—
landes nicht überleben wollten.
Jetzt sah man schon die Türken mit übermüthigem Ge—
schrei durch die Straßen schwärmen, und jeden Griechen er
greifen, um ihn zum Sclaven zu machen. Sechszigtausend
Greise Frauen oder Kinder, wurden ohne Unterschied des
Alters, Geschlechts oder Ranges, paarweise zusammengebun—
den, die Männer mit Stricken, die Frauen mit ihren Schlei—
ern oder Gürteln dann in die Schiffe geworfen, in das
türkische Lager geführt, verhöhnt, vertauscht, verhandelt, wie
Thiere. Frauen trennten sich für immer von ihren Gatten,
Kinder von ihren Müttern, und wurden in das Innere
von Asien geschleppt. Die Habsucht trieb die wilden Erobe—
rer zuerst in die Paläste und Kirchen, wo alle lostbaren
Gefäße entwendet, und was man nicht fortnehmen konnte,
zerfetzt und verstümmelt wurde. Die Meßgewande wurden
zu Pferdedecken gebraucht. Die losgelassene thierische Wuth
sättigie sich in den gewöhnlichen Gräueln, die meisten Be—
wohner der Stadt wurden ermordet. Drei Tage war das
Mündern erlaubt. Am vierten hielt Muhammed mit allen