72 Zweiter Zeitraum.
Alexander der Große erschienen mit einer Alongeperücke,
Medea und Iphigenia in einem Reifrocke, und sie reden
mitunter eine Sprache, wie die Menschen in den Anticham—
bern Ludwig's XIV. Gerade so trat einmal zu Amsterdam
in Adam's Sündenfall Gott wie ein holländischer Handels-⸗
herr auf, in Pantoffeln und Schlafrock, die Tabakspfeife
im Munde, und rief sehr ernsthaft: Adam, waar zyt gy?
(Adam, wo seid ihr ?)
Außer dieser Pedanterie beobachteten die französischen
Trauerspieldichter auch sclavisch die von den Alten vorge—
schriebenen drei Einheiten, nicht der Händlung allein,
welche jeder wahre Dichter beobachten muß, sondern
auch die der Zeit und des Ortes; doch war Corneille
hierin freier, als die übrigen französischen Tragiker. Am
wenigsten störte sich der Engländer Shakespeare an die—
sen zwei letzten Einheiten, und die gegenwärtigen Schau—
spieldichter Frankreichs folgen ihm meist in diesem Punkte.
(Die sich an den ältern Vorbildern halten, nennt man die
Classiker, die übrigen die Romantiker.) Die Sprache
der Tragiler dieses genannten Zeitraums ist übrigens höchst
rein und elegant, wie man ihr in keiner spätern Periode
und bei keinem anderen Volke begegnet. Sie ist platt, glän—
zend, schön und im Ganzen kalt, wie Marmor.
S 18.
Grosze französische Kanzelredner unter Cudwig XIV.
Auch die geistliche Beredsamkeit errang in Frankreich
unter Ludwig XIV. eine Vollkommenheit, von welcher sie
nachher wieder gesunken ist.
Bourdaloue (geboren 1632, 4 1704 irat, 16 Jahre
alt, in den Jesuitenorden, und glänzte früh als öffentlicher
Lehrer, mehr noch später als Prediger. Ludwig berief ihn
1670 an den Hof, vor ihm zu predigen, und 10 mal wurde
bieser Ruf wiederholt, ein seltener Fall, da der beste Prediger
kaum 3 mal wiederverlangt wurde. Hier an dem üppigsien
Hofe, wo man von nichts sprach, als von den Hoffesten des
Monarchen, von den Siegen Türenne's und den Tragödien