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2. Es schlägt eben sieben Uhr. Der Kaiser tritt heraus aus seinem
Ankleidezimmer. Obgleich es noch winterlich dunkel ist, ist der Monarch
doch schon um sechs Uhr aufgestanden. Er hat sofort wie gewöhnlich die
kleine preußische Generalsuniform angelegt und ist also gleich am frühen
Morgen „dienstfertig".
Das erste Frühstück wird im Zimmer der Kaiserin eingenommen.
Im Kaiserhause ist's also nicht wie in so mancher andern Familie, wo
der Hausherr morgens seinen Kaffee allein trinkt, weil die gnädige Frau
noch ruht, oder bisweilen auch umgekehrt. Nein, die Kaiserin läßt sich's
nicht nehmen, diese stille Morgenstunde, auch wenn sie zuweilen auf fünf
oder sechs Uhr fällt, mit ihrem Genial)l zu teilen. Kaffee und Tee, Eier
oder Fleischspeisen stehen auf dem Frühstückstisch; die Majestäten bedienen
sich selbst, Kammerdiener und Lakaien warten draußen.
Solche Morgenstunde hat sicherlich Gold im Munde. Wer will
sagen, was da an Gedanken und Plänen, an Hausfreud' und -leid, an
Sorgen und Fragen unter vier Augen ausgetauscht wird! Doch horch,
da hört man schnelle Fußtritte. Die kaiserlichen Kinder, soweit sie noch
im Elternhause weilen, kommen zum Gutenmorgengruß. Diese frischen,
fröhlichen, natürlichen Kinder, die ihrem Papa die Hand küssen und der
Mama um den Hals fallen, die ihren Traum erzählen und ihre Unter-
richtssorgen berichten, so ernst, als handle es sich um wichtige Regierungs¬
fragen! Wer etwa glaubt, in unserm Kaiserhanse herrsche steife und kalte
Form, so daß von einem eigentlichen Familienleben am Hofe nicht die
Rede sein könne, der irrt gar sehr. Der Verkehr zwischen Kaiser und
Kaiserin und zwischen den kaiserlichen Eltern und Kindern ist ebenso herz¬
lich und innig wie in jedem andern glücklichen deutschen Familienkreise.
3. Doch die halbe Stunde am Frühstückstisch ist vorüber; das
Herrscherpaar trennt sich. Den Kaiser ruft seine große, ernste Pflicht.
Das zweifenstrige, durchaus nicht umfangreiche Arbeitszimmer des Kaisers
macht einen ernsten, feierlichen Eindruck. Die graugrünen Paneele, die
dunkelbraunen Ledertapeten, die dunkelgrünen Fenstervorhänge, nieder¬
ländische Gemälde, sämtlich in schwarze Rahmen gefaßt: das alles stimmt
ernst.
Der Monarch geht an seine Arbeit. Aus dem naheliegenden Ad¬
jutantenzimmer, einem äußerst wohnlich ausgestatteten Gemach, in dem
einst Friedrich der Große häufig mit wenigen Vertrauten speiste, befiehlt
er seine diensttuenden Flügeladjutanten zu sich, meist zwei an der Zahl,
und bespricht mit ihnen den Arbeitsplan des Tages. Dann wendet er
sich seinem Arbeitstische zu. Welche Stöße von Arbeit liegen darauf! —
Privatbriefe, Bittschriften und Denkschriften, Berichte der Minister, Akten
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