Full text: Die Geschichte des Mittelalters enthaltend (Bd. 2)

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ln enthaltene richtige Huß ganz, auch für manches falsche. Faul« 
fisch gewan dann auch noch den Prediger an der Michaels-Kirche 
in der Prager Altstadt, JacobelluS von Mieß und diese drei gleich- 
gesinten empfahlen nun laut und dringend Wythcliffes Ansichten 
und Schriften. Die Mittel, die man anwandte, den Anhang die¬ 
ser Richtung zu vermehren, waren keinesweges alle rein und edel, 
und um noch mehr Leidenschaften solcher Art ins Spil zu ziehen, 
wie sic kirchlichen Streitigkditen überal fremd sein soltcn, wirkte 
besonder« der Gegensatz der Deutschen und Böhmen auf der Uni¬ 
versität in Prag. 
Als zuerst die Entwickelung der scholastischen Philosophie (s. oben 
S. 262 ff.) in Frankreich das Bedürfniss gründlicherer Kentniss 
des römischen Rechts (s. oben S. 250 ff.) in Italien die Einrich¬ 
tung gelehrter Schulen hcrbcigefürt, erhielten diese die korporative 
Grundlage ihrer Verfassung teils durch den Unterschid der Lehrer 
und Schüler nach Fakultäten, teils durch den nach Volksstämmcn. 
Prag hatte bei seiner Gründung nach dem Muster von Paris durch 
Karl IV. eine Einteilung seiner Lehrer und Schüler nach Natio¬ 
nen erhalten; wobei drei Nationen (die Sachsen, Baiern und Böh¬ 
men) dem heiligen römischen Reiche deutscher Nation angehörten; 
eine vierte, die polnische, umfaßte diejenigen Fremden, welche nicht 
an jene drei als Zugabe gewissermaßen (so z. B. die Ungarn an 
die Böhmen) verteilt waren. Allein seit Karl IV., dann in den 
ersten Decennien seiner Regirung noch mehr Wenzlav, die Deut¬ 
schen so ausserordentlich in Böhmen begünstigt hatten, war in den 
Böhmen ein Haß gegen die Deutschen, als gegen Fremdlinge (ob- 
wol sie seit Jahrhunderten zu deren Reiche gehörten) entstanden; 
dagegen gehörten die Lehrer und Studenten aus Schlesien und der 
Lausitz zu der polnischen Nation, rcpräsentirten diese am zalreich- 
sten und ließen demnach vilmehr diese als eine deutsche erscheinen. 
Die Böhmen fühlten sich so den drei Stimmen der Sachsen, Bai¬ 
ern und Polen gegenüber isolirt und durch deren Ucberlegenheit 
bedrückt. Sie vergaßen so sehr, daß die Deutschen bei ihnen so 
gut zu Hause seien, wie ein Picarde oder Provencale In Paris, 
daß sie behaupteten, ihre Verfassung entspreche dem Stiftungsbriefe 
nicht, der vorschreibe, Prag solle nach dem Vorbilde von Paris ein¬ 
gerichtet werden, wärend doch in Paris die Franzosen drei Natio¬ 
nalstimmen, die Fremden nur Eine — hingegen in Prag die Frem¬ 
den drei und die Böhmen nur eine Stimme hätten. 
Zu diesem nationalen Gegensatze kam auch noch ein philosophi¬ 
scher. Wir haben oben <S. 267) des Franciscaners Wilhelm 
Ockam (t 1347) als Herstellers des Nominalismus gedacht. Da 
schon längere Zeit die Dominicaner den Franciscanern in der Be¬ 
handlung der Philosophie entgegenstunden, fand der Realismus seine 
entschidensten Vertreter an den Dominicanern, und besonders an
	        
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