§. 31. Die verschiedenen Staatenbildungen rc. 99
der spartanische Staat mit seinen eigenthümlichen Einrichtungen ohne
die Basis der Sklaverei nicht zu denken, eben so wenig die hohe Bil¬
dung Athens. Auch das deutsche Mittelalter zeigt ähnliche Verhältnisse,
indem die in fremde Länder einwandernden Germanen die vorgefundene
Bevölkerung zu hörigen machte» und später diese Einrichtung auch in
die deutsche Heimat übertrugen, wo allmählich die ursprünglich freien
Grundbesitzer sich in Leibeigene verwandelten. Das Loos solcher Leib¬
eigenen ist das schrecklichste, welches den Menschen treffen kann. Denn
wenn es auch im Interesse der Herren liegt, den Leibeigenen, wie ein
Hausthier, mit angemessener Nahrung und nothdürftigcr Kleidung zu
versorgen, so wird doch jeder Versuch des Sklaven, sich geistig zu ent¬
wickeln, von den Herren verhindert, welche zwischen sich und ihrer Skla¬
venbevölkerung eine unüberstcigliche Scheidewand aufrichten wollen. Da¬
her stand z. B- in einigen der nordamenkanischen Freistaaten hohe
Strafe auf den Versuch, einen Schwarzen lesen zu lehren. Selbst die
Familienbande des Sklaven werden nicht geachtet. Aber die sklaven¬
haltende Nation wird über kurz oder lang für das an der Menschheit
begangene Verbrechen bestraft. Der nicht durch eigene, energische Anstren¬
gung gewonnene Reichthum führt zu Selbstüberhebung, dann zu Ueppigkeit
und Schwelgerei, und so unterliegt die Nation bald einem kräftigeren Nach¬
barvolke. Die Sklaverei, die den Spartanern und Römern es möglich
machen sollte, Ausbildung für den Krieg zum Lcbensberuf des einzelnen
zu machen, hat schließlich beiden Völkern ihre physische und moralische
Kraft geraubt. Durch den Einfluß des Christenthums sowohl, als durch
die Erfahrung, daß nur durch freie Arbeit die Production der Länder
aufs höchste gesteigert werden kann, wird der Sklaverei bald ein Ende
gemacht werden.
Eine zweite Art der Knechtschaft kann durch die Religion hervor¬
gerufen werden. Herrschsüchtige Priester lenken auf den Inseln des Stillen
Oceans die Bevölkerung durch das Institut des Tabu, in den Neger-
ländern Afrikas durch wüsten Zauberspuk. Und wo die Religion nicht
direct zu politischen Zwecken gemißbraucht wird, da herrscht wenigstens
oft der intolerante Grundsatz, daß der Herrscher des Landes auch Herr
über die Gewissen sei: „Cujus regio, ejus religio." Das Christenthum
in seiner Ausbreitung nach innen und außen wird auch diesen Verhält¬
nissen ein Ende machen.
Mit der von den Völkern erreichten Culturstufe hängen auch ihre
staatlichen Verhältnisse zusammen. Völker ohne Eigenthum bilden
keinen Staat; bei Hirtenvölkern werden ab und an Staaten gebildet
(Mongolen unter Dschingiskan), allein nur, um rasch wieder zu zerfallen.
Dauernde Staatenbildungen finden wir nur bei ansässigen Völkern. Geht
die höchste Gewalt von einem Oberhaupte aus, so heißt der Staat mo¬
narchisch. Eine Monarchie erscheint als Despotie, wenn die Unter¬
thanen dem Staatsoberhaupte gegenüber rechtlos sind, d. h. nur als
Sachen behandelt werden, als Autokratie, wenn die gesetzgebende
Macht allein beim Fürsten steht, der sich'aber dem Gesetz unterordnet
(Rußland, die heutige Türkei), als constitutionelle Monarchie, wenn
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