Full text: Lehrbuch der Geographie für die mittleren und oberen Klassen höherer Bildungsanstalten sowie zum Selbststudium

§. 110. Oberflächengestalt und Bewässerung des Landes. 
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die Engländer, s. S. 224. die Gestade des Weißen Meeres wieder ent¬ 
deckt hatten, und über Archangel erhielten die Russen die Fabrikate des 
europäischen Westens. Peter der Große verpflanzte diesen Handel nach 
seiner neuen Gründung, und seit jener Zeit hat die Stadt nur noch 
einige Bedeutnng als Ausfuhrplatz der Rohprodukte des innern (Bau¬ 
holz. Flachs) und des Eismeers (Fische, Thran, Pelzwerk). 
Es ergibt sich aus dem gesagten, wie wenig Rußland für den 
Handel mit der Fremde begünstigt ist. Das Eismeer ist zu entlegen; 
außerdem sind seine Häfen, sowie auch die der Ostsee nur wenige Monate 
im Jahr den Schiffen zugänglich. Das Schwarze Meer aber ist wie 
ein Binnensee, zu welchem die Straße von Konstantinopel den Schlüssel 
bildet, so daß eine vollständig freie Bewegung hier nur durch den Besitz 
Konstantinopels zu erreichen ist. Es ist zugleich aber klar, daß der Besitz 
dieser drei Küstenstrecken eine Lebensbedingung für das Land ist. Da¬ 
her die Kämpfe Peters des Großen und seiner Nachfolger mit den 
Türken am Schwarzen Meere und den Schweden an der Ostsee; und 
daher auch das Bestreben der Regierung, die Ostsceprovinzen immer 
mehr zu russificieren und mit dem Organismus des Reiches in immer 
engere Verbindung zu bringen. 
Oberflächengeftalt und Bewässerung des Landes. 
Nach Osten wird die große osteuropäische Ebene durch das Uralge- 
birge begrenzt, dessen Gesammtlänge, wenn man sic von der Platte 
Usturt zwischen Aralsee und Kaspischem Meere bis zur Nordspitze von 
Nowaja Semlja mißt, wenigstens 600 Meilen beträgt. Gewöhnlich 
aber versteht man darunter nur den Theil der ganzen Erhebung, der 
sich von der Quelle der Emba, wo der Gebirgscharakter beginnt, bis 
zur Waigatzstraße erstreckt; dann kommen nur 350 Meilen heraus. 
Es ist ein einförmiges Kettengebirge mit nur geringer Gliederung, auf 
dessen Rücken die Gipfel sich verhältnismäßig nur wenig über das 
allgemeine Niveau erheben. Nach Westen hin fällt der Zug sehr all¬ 
mählich zu den vorliegenden niedrigen Hügelketten ab, und der Rücken 
des Gebirges ist im allgemeinen so verrundet, daß man oft Mühe hat, 
die wasserscheidende Linie zu erkennen. Nach der Asiatischen Seite hin 
ist freilich der Abhang steiler. Hier erscheint das Gebirge zerklüfteter; 
aus dem schmalen begleitenden Hügelsaum erheben sich einzelne isolierte 
Berge wie losgerissene Trümmer des Hauptzuges. Trotz seiner leichten 
Uebersteiglichkeit bildet der Ural dennoch eine wahre Naturscheide der bei¬ 
den Erdtheile. Bis zum westlichen, europäischen Abhange dringen die 
reichen Laubwälder Rußlands vor; aber weder die Eiche, die noch am 
südlichen Ural vorkommt, noch die weiter nach Norden vordringende Linde 
überschreiten das Gebirge, an dessen Ostfuße die unermeßlichen Tannen¬ 
wälder und weiter südlich die Steppenlandschaften Sibiriens beginnen. 
Man theilt die ganze Länge des Gebirges in drei Abschnitte, deren 
südlichster der sog. waldreiche Ural aus drei, durch ziemlich breite Thäler 
gebildeten Parallelketten besteht. In dem östlichsten der beiden Längs- 
thäler strömt der Ural (früher Jaik genannt) und tritt bei Orsk in 
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§.110
	        
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