fullscreen: Für Klasse IV und III (6tes und 7tes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

1. Johanna Stegen, das Mädchen von Lüneburg. 
In der Stadt Lüneburg lebte um das Jahr 1813 ein schlichtes, 
einfaches, sittsames Bürgermädchen, von hohem, edlem Sinn und reichem 
Gemüt. 1793 geboren, hatte sie das Unglück, den Vater und alle Ge¬ 
schwister frühzeitig dahinsterben zu sehen. War schon zu Lebzeiten des 
Vaters, der die Stelle eines Aufsehers im Salzwerkamte zu Lüneburg 
bekleidete, der Familie nur ein kümmerliches Auskommen gewährt gewesen, 
so gestalteten sich nach dessen Tode die Verhältnisse noch ärmlicher. Die 
Mutter bezog eine kleine Pension, die aber bei weitem nicht ausreichte; 
sie verfertigte nebenbei Handarbeiten, und Johanna trat bei der ver¬ 
witweten Zollverwalterin Hentzen in Dienst. Durch ihren frommen, braven 
Sinn, ihre Treue und Arbeitsamkeit und eine Geschicklichkeit, der sich 
damals Mädchen ihres Standes nicht rühmen konnten — sie schrieb unter 
anderm eine zierliche, gefällige Handschrift und wußte ihre Gedanken sehr 
hübsch einzukleiden — erwarb sie sich bald die Liebe ihrer Herrschaft. 
Frau Hentzen, von echtem deutschen Sinn, anhänglich an ihr Vater¬ 
land, voll von glühendem Haß gegen die Franzosen, entzündete zuerst in 
Johannas Gemüt die hohe Begeisterung für die Befreiung ihres Vater¬ 
landes, durch welche sie nachher der guten Sache so große Dienste ge¬ 
leistet hat. Freude verklärte ihr Antlitz, als die erste Nachricht von der 
Niederlage der Franzosen in Rußland eintraf, und sie knüpfte daran die 
Hoffnung, daß auch ihr Vaterland sich von der Gewaltherrschaft der Fran¬ 
zosen befreien werde; denn durch die französische Einquartierung in Lüne¬ 
burg hatten die Bewohner dieser Stadt den Druck der Fremdherrschaft 
bitter genug empfinden müssen. 
Es erfolgte die Erhebung Preußens. An: 20. Februar rückten die 
Russen in Berlin ein, das von den Franzosen geräumt wurde, welche, 
die Stärke der russischen Corps weit überschätzend, sich von allen Seiten 
zurückzogen. So räumten sie auch am 18. März Lüneburg; mit ihnen 
zogen die fremden Behörden fort. Als die Einwohner sich von den ver¬ 
haßten Feinden befreit sahen, brachen sie in ungeheuren Jubel ans, und 
die einrückenden Russen wurden mit begeisterten Hochs empfangen. Die 
alten heimischen Behörden waren wieder eingesetzt, die Stadt Lüneburg 
schwelgte iul Glückstanmel, bis plötzlich eine Abteilung französischer Soldaten 
heranrückte. Doch die Bürger bewaffneten sich und schlugen die an Zahl 
~ nur geringen feindlichen Streitkräfte zurück. 
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