Becker: Karl der Große. Giesebrecht: König Konrad I. in St. Gallen. 121
er wenigstens ein Buch verstehen, und bei seiner großen Tätigkeit hatte
er doch noch Zeit zum Lesen übrig.
Bei allen Kathedralen und Klöstern wurden auf Karls Befehl
Schulen gegründet, in denen Lesen und Schreiben, das Christentum
und für die Geistlichen auch höhere Wissenschaften gelehrt werden
sollten.
Die Schule, die er an seinem Hofe einrichtete, diente als Muster
für die übrigen; alle seine Diener, die hohen wie die niederen,
mußten ihre Söhne in die Schule schicken. Einmal trat er selbst in
das Gemach und ließ die Schüler prüfen. Die geschickten mußten sich
auf seine rechte, die ungeschickten auf seine linke Seite stellen, und hier
fand sich, daß die letzteren gerade die Vornehmen waren und fast nur
diese. Darauf wandte er sich zu den fleißigen, aber armen Kindern
und sagte: „Ich freue mich, meine lieben Kinder, daß ihr so gut ein¬
schlagt; bleibt dabei und werdet immer vollkommener. Ihr verfolgt
euer wahres Beste, und zu seiner Zeit soll euch mein Lohn nicht
fehlen. Ihr aber," — und hier wandte er sich zornig zur Linken, —
„ihr. Söhne der Edlen, ihr feinen Burschen, die ihr euch so reich und
vornehm dünkt und des Wissens nicht not zu haben meint, ihr faulen,
unnützen Buben, ich sage euch, euer Adel und eure hübschen Gesichter
gelten nichts bei mir, und ihr habt nichts Gutes zu hoffen, wenn ihr
eure Faulheit nicht durch eifrigen Fleiß wieder gut macht!"
Auch der Verbefferung des Kirchengesanges widmete Karl seine
Aufmerksamkeit. Papst Hadrian sandte ihm aus Rom zwei seiner
besten Sänger. Karl wies dem einen zu Metz, dem andern zu Soiffons
seinen Wohnsitz an. Hier mußte nun jeder, der an einer Schule den
Gesang lehren oder an einer Kirche Vorsänger werden wollte, sich in
der römischen Gesangweise unterrichten lassen. Im Orgelspiel sollten
die Schüler ebenfalls geübt werden. Aber die plumpen Franken stellten
sich ebenso ungeschickt zum Singen als zum Spielen an. Die Italiener
verglichen ihren Kirchengesang mit dem Geheul wilder Tiere und dem
Gerumpel eines Lastwagens auf einem Knüppeldamm, und Alkuin
klagt oft in seinen noch vorhandenen Briefen, daß er so äußerst
wenig ausrichten könne und mit einer fast tierischen Tölpelhaftigkeit
zu kämpfen habe.
65. König Konrad I. in St. Gallen.
Wilhelm Giesebrecht. Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 1. Band. Braunschweig.
Konrad war ein tapferer, mannhafter Fürst, reich an ritter¬
lichen Tugenden; glänzend und stattlich trat er auf nach der
Art der Franken, überdies war er freigebig und gütig, leutselig