fullscreen: (Für Sexta) (Abth. 1, [Schülerband])

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A Erzählende Prosa V. Geschichtliche Darstellungen. 
sich zwar das Volk, als der Senat einige Schiffe nach dem kornreichen 
Sicilien schickte und dort auf öffentliche Kosten aufkaufen ließ. Die Schiffe 
kamen reichbeladen zurück, und das Volk sah begierig der Austheilung ent— 
gegen Nur wie man dabei verfahren wollte, darüber wurde noch im 
Senate berathschlagt. Die Vernünftigeren meinten, man solle das Korn 
dem armen Volke entweder ganz schenken oder doch nur einen geringen 
Preis setzen. Da sprang der stolze Coriolan unwillig auf und rief: „Will 
das Volk von unserem Getreide essen, so mag es auch uns dienen und 
die Tribunenwürde aufgeben. Gefällt es ihm bei uns nicht, so ziehe es 
aus; der heilige Berg und jeder andere steht ihm frei. Glaubt mir, nur 
durch Elend und Noth ist das Volk bei seiner Pflicht zu erhalten!“ Diese 
Worte erfuhr das Volk bald wieder; es gerieth in Wuth und hätte fast 
die Versammlung gestürmt und den Coriolan zerfleischt Er wurde vor 
den Richterstuhl der Tribunen berufen und, da er nicht erschien, auf Be— 
trieb der Plebejer aus Rom verbannt. Mit stolzem Selbstgefühl riß er 
sich aus den Armen seiner Mutter, seines Weibes und seiner Kinder, und 
furchtbare Drohungen ausstoßend, verließ er die Stadt. Dann begab er 
sich zu den Volskern, damals dem furchtbarsten Feinde der Römer, und 
bewog sie, den Römern den Krieg anzukündigen. Sie stellten ihn mit 
Freuden an die Spitze, und er jauchzte schon bei dem Gedanken, Rache 
an den Plebejern üben zu können. Alles ging nach Wunsch; er nahin 
den Römern einen Platz nach dem andern weg, verheerte alle dem gemeinen 
Vollke gehörenden Felder und rückte endlich selbst bis Rom vor. Die 
Römer erschraken; denn Alles ließ die Wuth und die Rache des wilden 
Coriolan fürchten. Die Weiber liefen mit Angstgeschrei durch die Straßen; 
in den Tempeln umfaßten die Greise die Bilder der Götter und flehten 
um Abwendung der Gefahr, und das Volk ruhete nicht eher, bis der Senat 
eine Gesandtschaft an Coͤriolan abgehen und ihm Widerruf der Verban— 
nung anbieten ließ, wenn er e Coriolan wies sie mit Hohn ab, 
und als sie nun zum zweiten Male kam, ließ er sie nicht einmal vor sich. 
Eine Gesandtschaft, die aus den n een Priestern in ihren Feier⸗ 
kleidern bestand, hatte kein besseres Schicsal. Da flehten die Römischen 
uen Coriolans Mutter Veturia und seine Frau Volumnia an, imit 
ihnen in das Volskische Lager zu gehen und zu versuchen, ob sie den harten 
Sinn des Siegers erweichen könnten. 
Als man ihm meldete, man sehe eine lange Prozession Römischer 
Frauen sich dem Lager nähern, wandte er sich mit Unwillen wege Da 
meinte aber Einer, er glaube die Mutter, die un und die Kinder Co⸗ 
riolans an der Spitze des Zuges zu erkennen. Coriolan horchte auf und 
schaute hin. Wirklich, sie waren es! Wie sinnlos sprang er vom Site 
auf; mit offenen Arnien lief er ihnen entgegen; sein rohes Herz war von 
dem langentbehrten Anblicke seiner Lieben erweicht. Aber seine Mutter 
stieß ihn zurück. „Laß mich erst wissen,“ sprach sie, „ob ich mit dem Feinde 
Roms oder mit meinem Sohne rede. Habe ich so lange leben müffen, 
um den Jammer zu erfahren, daß mein Sohn erst ein Verbannter und 
endlich gar ein Feind Roms ist! Wie? Du kannst Rom bekriegen, die 
Stadt, die dich geboren hat und Alles enthält, was deinem Herzen theuer 
sein muß? Hätte ich keinen Sohn, so brauchte die Stadt nicht diese
	        
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