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Josef II. wird K^aiser. 197
Frankfurth so weit gebracht hatte, daß am 29 Marz
1764 sein ältester Prinz, Josef II. zum römischen
Könige gewählt wurde. Ohne Irrung folgte er
jetzt seinem Vater auf dem teutschen Throne mit
allen den Erwartungen, die sich das teutsche Reich
von seinem erhabenen Geiste und seinen seltenen
Fürstentugenden machte. Josef fand bei dem An¬
tritte seiner Negierung viel und mancherlei Scha¬
den, welche verbessert werden mußten, und wohl
von keinem Kaiser würdiger verbessert worden waren,
als nur von ihm, wenn er mit seiner eigenthüm¬
lichen Kraft nicht einen Fehler verbunden Hätte,
der ihn von jener Verbesserung nicht selten ent¬
fernte— d. h. er suchte das Böse, das er fand,
zu schnell auszurotten, ohne den Widerstand der
dadurch Beleidigten, besonders der Geistlichkeit und
des Aberglaubens des Volks, zu berechnen.
Niklas. Lebte denn seine Mutter, Maria
Theresia, noch?
Pastor. Ja! Sie nahm ihn auch zum Mit¬
regenten ihrer Erblander an, und Josef zeigte,
daß er diesen Titel in jeder Rücksicht verdiente,
denn er stellte die Mißbrauche in dem Finanz- und
Justiz-Wesen, besonders aber in der>Religion, ab,
und raubte alten schädlichen Gewohnheiten ihre
Gültigkeit und Kraft, so wie er denn unter an¬
dern die Leibeigenschaft in Böhmen aushob. Maria
Theresia, so abergläubisch-fromm sie auch war,
kehrte doch in der letztern Zeit ihres Lebens zu einer
aufgeklärtem Denkungsart zurück, mithin billigte
sie die Verbesserungen ihres Sohnes. die seinem
Verstände und seinem Herzen so viel Ehre machten.
Maria Theresia war überhaupt m j e d e m Betracht
eine äusserst gelehrte, tiefdenkende Frau, welche
die Gelehrsamkeit mit Vorliebe unterstützte, Schu-
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