216.
Kulturbilder.
62. Im Süden.
Unter den Palmen und hohen Cypressen
Kann ich dich nimmer, nimmer vergessen,
Deutscher Wald.
Mit den zwitschernden Vogelstimmen,
Mit den schwebenden, summenden Immen,
Mit den laubdurchrieselnden Lichtern,
Mit den Quellen, klar und kalt,
Und all den tausend vertrauten Blumengesichtern.
Meine geblendeten Augen schweifen
Über des Meeres blaue Bucht,
Und mich lädt die goldene Frucht,
Sie zu greifen.
Aufgeblüht ist ohnegleichen
Aller Träume schüchterner Keim;
Aber mein Herz ist daheim
Unter den Buchen und Eichen. Ludw. Fulda.
63. Der Auswanderer.
Es steht mit rollenden Thränen
Ein Mann am Meeresstraud
Und streckt die Arme mit Sehnen
Nach seiner Väter Land.
Die Brust will ihm zerspringen,
Das Herz ihm brechen entzwei;
V8m deutschen Rhein her singen
Hört er die Lorelei.
Er hört sie singen — und rauschen
Dazwischen den heimischen Rhein,
Kann nicht genug horchen und lauschen;
Die Wangen fallen ihm ein.
Sie fallen ihm ein und erbleichen,
Sein Auge wird fahl und matt;
Er neidet daheim den Leichen
Die trauliche Ruhestatt.
Er aber mit stolzer Gebärde
Hat noch im Scheiden vom Fuß
Den Staub der Heimaterde
Geschüttelt im Überdruß.
Er ist im Grolle gegangen;
Nun kommt die Liebe zu spät,
Zu spät das heiße Verlangen;
Verschmäht wird, wer verschmäht.
Ein Weltmeer trennt ihn brausend
Vom teuren Vaterland;
Bald liegt er bei manchem Tausend
Vergessen im fernen Sand.
K. G. Lettner.
(Vgl. Freiligraths Gedicht ,Die Auswanderers)
64. Begrüßung des Meeres.
Unermeßlich und unendlich,
Glänzend, ruhig, ahnungschwer,
Liegst du vor mir ausgebreitet,
Altes, heil'ges, ew'ges Meer!
Soll ich dich mit Thränen grüßen,
Wie die Wehmut sie vergießt,
Wenn sie trauernd auf dem Friedhof
Manch ein teures Grab begrüßt?
Denn ein großer, stiller Friedhof,
Eine weite Gruft bist du,
Manches Leben, manche Hoffnung
Deckst du kalt und fühllos zu;
Keinen Grabstein wahrst du ihnen,
Nicht ein Krcuzlein, schlicht und schmal,
Nur am Strande wandelt weinend
Manch ein lebend Trauermal. —