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Kein mächtiger Ast tritt aus dem zähen Holz, vielmehr fällt ringsum
ein zierliches Reisernetz in langen Flechten herab, das sich cascadenartig
und immer lockerer aufbaut, bis die Krone wie in einem Federbüschel
endet. Da* ist auch nicht Raum für des kleinen Vogels Nest, so lustig
steht dies Zweigwerk da. Und nun dieser dämmernde Laubschein darüber
hin, dieser zarte, durchsichtige Schleier, der immer schwebend und
schwirrend die Glieder umweht! Ist es nicht, als schmiege er sich um
eine Waldnymphe?
An der hangenden Birke ist es die gesenkte Gestalt und das rastlose
Gezitter der langgestielten Blätter, was die träumerische, selbst schwer-
müthige Stimmung hervorruft, die diesem Baume auch den Namen der
Trauerbirke verschafft hat. Eben darum ist sie bei uns, wie im Süden
die Oypresse, oft ein Schmuck der Friedhöfe geworden, und in den nor¬
dischen Gegenden ist sie recht eigentlich die «Schattenspenderin der
Grabhügel.» Abend und Morgen sind die rechten Tageszeiten zum Er¬
gehen im Birkenwalde; aber eine gespanntere, erhöhete Stimmung gibt
das Zwielicht des Mondes. Die schattenhaft zerfliessende Gestalt des Bau¬
mes, das gespenstische Weiss des Stammes regen die Phantasie geisterhaft
an. Die Birke ist auch der Liebling des Lenzes. Im Vorfrühling, wenn
der junge Blätterschimmer um ihre Zweige spielt, haucht die Birke won¬
nige, sonnige, erfrischende Freude in alle Herzen; sie bringt den ersten
langersehnten Gruss des wieder erwachten Lebens. Auch der Herbst hat
sie lieb; das Birkenlaub färbt er in allen Tönen des Gelbs und macht
die Wälder gleichsam noch einmal blühen.
Besonders geartet ist die Heidebirke. Die freier aufstrebenden Aeste
geben ihr ein munteres Ansehen, an den weichen Habitus der Hängebirke
erinnert nur die leichte Biegung der Zweige, deren dünneres Laub ge¬
schwätzig auseinander flattert. Heitere, man möchte sagen mädchenhafte
Grazie ist der Charakter des Baumes, und gerne schwingt sich der Dorf¬
reihen um sein duftiges Maigrün. Die Heidebirke erfreut, wie der An¬
blick eines schöngelockten lieblichen Kindes; man denkt an lachende
Blondköpfe; doch verliert sie sich auch eher, als ihre erste Schwester, ins
Dürftige. In einzelnen Gruppen etwa inselartig aus dem Rasen hervor¬
tretend, oder in weiten Ausdehnungen über eine grosse Fläche sich gleich¬
sam die Hand reichend, oder auch im Gegensatz zu Eiche, Tanne u. dgl.,
gibt sie ein wirksames Motiv für die Landschaft; so besonders auf den
holländischen Torfmooren, deren trübe Einsamkeit allein durch ihre Farben
belebt wird. Als voller Wald ist indessen dieser Baum zu eintönig und
zu geringfügig.
Die Erle erscheint, wie die Weide, nur selten in unverkümmerter Ge¬
stalt. Sie wächst rasch; aber man köpft oder fällt sie, und nun treibt
um den brombeerumrankten Stumpf ein Dickicht von Loden und Ruthen
hinauf. Es wird ein Gebüsch, eine Gruppe von Schossen, Vor- und Unter¬
holz, das oft weite Flächen undurchdringlich bedeckt. In dieser Weise
tritt die Starrheit des Erlenhabitus besonders hervor: der Stamm gerade,
schlank, ohne durch markige Höhe zu imponiren; die Aeste in regel¬
mässigem Wechsel meist scharf und quirlartig herausspringend, das Blatt
stumpf, derb, am zähen Stiele wenig bewegt. Lässt man der Erle den
freien Wuchs, so mildert sich diese Härte bedeutend. Der Baum gewinnt
eine energische, saftige Gestalt; er lehnt in gefälliger Linie über den
Bach, der seine Wurzeln tränkt, und Zweige und Blätter wölben sich
zu schattigen Schirmen. Auch die Rinde färbt sich mit einem satteren