Full text: [Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Kl. 6, [Schülerbd.])

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159. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. — 160. Wilhelm Tell. 
159. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe. 
Vou Just. Kerner. 
1. Auf der Burg zu Germersheim, 
stark am Geist, am Leibe schwach, 
sitzt der greise Kaiser Rudolf, 
spielend das genwhute Schach. 
2. Und er spricht: „Ihr Meister all', 
Arzte, sagt mir ohne Zagen, 
wann aus dem gebrochnen Leib 
wird der Geist zu Gott getragen?" 
Z. Und die Meister sprachen: „Herr, 
wohl noch heut' erscheint die Stunde." 
Freundlich lächelnd spricht der Greis: 
„Meister, Dank für diese Kunde! 
4. Auf nach Speicr! Auf »ach Speier!" 
ruft er, als das Spiel geendet; 
„wo so mancher deutsche Held 
liegt begraben, sei's vollendet! 
5. Blast die Hörner! Bringt das Roß. 
das mich oft zur Schlacht getragen!" 
Zaudernd stehn die Diener all'; 
doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!" 
6. Und das Schlachtroß wird gebracht. 
„Nicht zuin Kampf, zum cw'gen Frieden," 
spricht er, „trage, treuer Freund, 
jetzt den Herrn, den Lebensmüden!" 
9. Mancher eilt des Wegs daher, 
der gehört die bange Sage, 
sieht des Helden sterbend Bild 
und bricht aus in laute Klage. 
10. Aber nur von Himmelslust 
spricht der Greis mit jenen zweien; 
lächelnd blickt sein Angesicht, 
als ritt' er zur Lust im Maien. 
11. Von dem hohen Dom zu Speier 
hört man dumpf die Glocken schallen. 
Ritter. Bürger, zarte Frauen 
weinend ihm entgegen wallen. 
12. In den hohen Kaiscrsaal 
ist er rasch noch eingetreten; 
sitzend dort auf goldncm Stuhl, 
hört mau für tas Volk ihn beten. 
15. „Reichet mir den hcil'gen Leib!" 
stricht er daun mit bleichem Munde. 
Drauf verjüngt sich sein Gesicht 
um die mittcrnächt'gc Stunde. 
14. Da auf einmal wird der Saal 
hell vom übcrird'schcn Lichte, 
und entschlummert sitzt der Held, 
Himmelsruh' im Angesichte. 
7. Weinend steht der Diener Schar, 
als der Greis auf hohem Rosse, 
rechts und links ein Kapellan, 
zieht halb Leich' aus seinem Schlosse. 
8. Trauernd neigt des Schlosses Linde 
vor ihm ihre Äste nieder; 
Vögel, die in ihrer Hut, 
singen wehmutsvolle Lieder. 
15. Glocken dürfen's nicht verkünden. 
Boten nicht zur Leiche bieten; 
alle Herzen längs des Rheines 
fühlen, daß der Held verschieden. 
16. Nach dem Dome strömt das Volk, 
schwarz, unzähligen Gewimmels; 
der empfing des Helden Leib, 
seinen Geist der Dom des Himmels. 
V 
160. Wilhelm Tell. 
Von Ferd. Bäßlcr. 
Unter dem Kaiser Albrecht that Geßler, Landvogt zu Uri und 
Schwyz, den Landleuten selbst großen Zwang an, hielt sie streng und 
hart und nahm sich vor, eine Feste in Uri zu bauen, damit er und
	        
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