Full text: Lesebuch für die Oberstufe der katholischen Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

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Plätze und Landstraßen zu erreichen und eilten halbnackt über die 
Trümmer weg; Greise, Frauen, Kinder, Kranke wurden in den Häusern 
erstickt, zerschmettert, verschüttet und die am Leben bleibenden zum 
Hungertode verdammt, ehe man ihnen in der Folge Rettung bringen 
konnte. Pferde und Rinder wurden wild, zerrissen die Wagenstränge 
und suchten vergeblich der Zerstörung zu entfliehen. Ganze Gruppen 
wurden auf der Flucht von: Hagel der Ziegelsteine und Werkstücke 
erreicht oder durch den Fall erschütterter Gebäude zermalmt. Ein 
Haufe eilte dem Hafen zu, um sich zu Schiffe zu begeben; aber schnell 
stürzte alles zurück, weil der Tajo sich plötzlich zu der ungeheuern 
Höhe von 20—30 Fuß erhob. Es gehört zur Vollendung des Grä߬ 
lichen, daß dieser Fluß viermal an jenem Tage so plötzlich anschwoll 
und dann ebenso schnell wieder zurücktrat. Etliche Bote wurden sofort 
verschlungen, und aus den königlichen Schiffswerften wurden alle die 
ungeheuern dort aufgestapelten Vorräte jeder Art hinweggeschwemmt. 
In der Stadt stiegen ungeheure Staubsäulen auf und verdunkelter: 
minutenlang die Sonne, so daß es völlig Nacht wurde. Auf die 
Scene der Zerstörung folgte eine fürchterliche Pause, die Staubwolken 
verschwanden, die Übriggebliebenen wünschten sich Glück und stellten 
Nachforschungen nach den Ihrer: an; aber nach wenig Minuten folgte 
ein zweiter und bald darauf ein dritter Erdstoß: die noch stehen¬ 
den Häuser wankten gräßlich hin und her, die Menschen konnten sich 
nicht auf den Beinen erhalten, sie mußten niederknieen oder sich nieder¬ 
legen. Schrecken, Verwirrung, Angstgeschrei, Flehen um Hilfe und 
Rettung vermehrten abermals das Grauseuvolle dieser Scene und die 
Größe des Jammers. 
Das Trauerspiel war hiermit noch nicht zu Ende: um das Elend 
vollzumachen, brach in verschiedenen Teilen der Stadt in den noch 
stehenden Gebäuden Feuer aus, dessen Entstehungsart nicht aufgeklärt 
ist. Mit angehender Nacht standen alle Trümmer von Lissabon in 
Flammen. Da niemand daran dachte, zu löschen, so breitete sich die 
Wut des Feuers überall aus, wo es Nahrung fand, und machte die 
übrigen Bewohner Lissabons vollends zu Bettlern. Acht Tage wütete 
die vom Winde immer von neuem angefachte Flamme und zwar in 
den vorzüglichsten wie in den engsten Teilen der Stadt. Die Leute 
mußten alle auf die Felder fliehen, das Verhängnis hatte sie gleich 
gemacht. Hier verfolgte die Unglücklichen ein anhaltender Regen, so 
daß Nüße, Erkältung, Krankheit und Hunger noch Unzähligen den 
Tod brachte. Die Zahl der Umgekommenen belief sich auf 30 bis
	        
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