Full text: [Teil 6 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.]] (Teil 6 = 7. u. 8. Schulj., [Schülerbd.])

— 3 — 
Wie hitzig wird der Streit getrieben! 
Manch Ries Papier wird vollgeschrieben. 
Das halbe Dorf muss in das Amt; 
man eilt, dié Zeugen abzuhören, 
und fünfundzwanzig müssen schwören, 
und diese schwören insgesamt, 
dass, wie die alte Nachricht lebrte, 
der Rain ihm gar nicht zugehörte. 
Ei, Kunz, das Ding gehbt ziemlich schlecht! 
Ieh weiss 2war wenig von dem Rechte; 
doch im Vertrau'n gered't, ich dächte, 
du battest nicht das grösste Recht. 
Manch widrig Urteil Kommt! Doch lasst es vidrig klingen! 
Glimpf muntert den Rlienten auf: 
„Lassst dem Prozesse seinen Lauf, 
ich schwör' euch, endlich durchzudringen; 80 
doeh —“ 
„Herr, ich hbör' es schon; ich will das Geld gleich bringen,“ 
Kunz borgt manch Rapital. Fünf Jahre währt der Streit. 
Allein, warum so lange Zeit? 
Dies, Leser, kann ich dir nicht sagen, 85 
du musst die Rechtsgelehrten fragen. 
Ein letztes Urteil kommt. O seht doch, Kunz gewinnt. 
Er hat zwar viel dabei gelitten; 
allein was thut's, dass Haus und Hof verstritten, 
und Haus und Hof schon angeschlagen sind? 90 
Genug, dals er den Rain gewinnt. 
„O!“ ruft er, „lernt von mir den Streit aufs höchste treiben, 
ihr seht ja, Recht muls doch Recht bleiben!“ 
Gotthold Ephraim Lessing. 
Gotthold Ephraim Lessing, in Kamenz in Sachsen geboren, liebte schon 
als Knabe von ? Jahren vor allem die Bücher, lernte sehr fleißig und rasch 
und bezog sehr jung die Universität in Leipzig. Hier sollte er wie sein Vater 
Theologie studieren, aber er schrieb Theaterstuͤcke. Da sie großen Beifall fanden, 
widmete er sich ganz der Dichtkunst, lebte als Schriftsteller än verschiedenen Orten 
und endlich als Bibliothekar in Wolfenbüttel. Er starb am 15. Februar 1781 
in Braunschweig in dem BHause am Agidienmarkte Nummer 12; sein mit einem 
Denkmale geschmücktes Grab befindet sich auf dem Kirchhofe der St. Magni— 
gemeinde. Der gelehrte und scharfsinnige Lessing hat uns gezeigt, wie man ein 
schönes und klares Deutsch zu schreiben hat. Durch seine musserhaften drama— 
tischen Dichtungen, wie z. B. Minna von Barnhelm und VNathan der Weise, 
bewies er, daß auch die Deutschen herrliche Theaterstücke zu dichten verstanden. 
Auch vorzügliche Fabeln hat uns Lessing hinterlassen. Sein Denkmal in Braun— 
schweig auf dem Lessingplatze vor der Garnisonschule, ein Werk Rietschels, trägt 
mit Recht die Inschrift: 
„Dem großen Dichter und Denker das deutsche Vaterland.“ 
Hugo Weber. 
III. Der alte Löwe. IV. Der Wolf und der Schäfer, Der Wolf auf dem 
Totenbette, Der Rabe und der Fuchs. V. Zeus und das Pferd, Der sterbende Löwe. 
2. Die Pfauen und die Krähe. 
Eine stolze Krähe schmückte sich mit den ausgefallenen Federn der 
farbigen Pfauen und mischte sich kühn, als sie genug geschmückt zu sein 
G. 
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