Full text: Deutsche Dichter und Prosaiker (Teil 5, [Schülerbd.])

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2. Per. 3. Zeitr. Nikolaus Baumann. — Melchior Pfinzing. 
Und sie zu ihrer Ruhstatt bringen. 
Wenn das geschehn, will ich hernach 
Mit meinem Rat noch diesen Tag 
Mich über Mittel und Wege be¬ 
sprechen, 
Um deiner Kinder Mord zu rächen." 
Sofort gebot er jungen und alten, 
Vigilien bei dem Sarge zu halten. 
Wer dort (gebeten und gezwungen) 
„klacebo Domino" gesungen, . 
Und wie man die Responsen sang, 
Dies zu erzählen, wär' zu lang; 
Darum bekürzen wir uns hier. 
Man that der Toten die Gebühr, 
Ließ sie in ihre Gruft hinab 
Und überdeckte dann das Grab 
Mit einem schönen Marmorstein, 
Geschliffen wie ein Glas so rein; 
Darauf stand eine Schrift gehauen, 
Damit ein jeder könnte schauen, 
Wer in der Gruft begraben lag. 
Dieselbe Grabschrift also sprach: 
Kratzfuß liegt hier, der Hennen beste, 
Stets fand man Eier in ihrem Neste. 
Sie konnte trefflich scharren und 
schaben. 
Jetzt (leider!) liegt sie hier begraben. 
Es hat sie Reinke tot gebissen; 
Dies thut sie aller Welt zu wissen, 
Und daß er übel dran gethan. 
Beklag ihr Schicksal, Wandersmann! 
Soltau. 
Melchior pfinzing. 
(1481-1535.) 
Heurdank. 
Wie Ynfalo den Edlen Tenrdanck in ein ander gefehrlichkeit mit 
einem grossen Bären füret.*) 
Ist geschehen im lant ob der Ens. 
Ynfalo thet den Helden fragen 
Einsmals, ob er het bist zu jagen. 
Der Held antwortete jm, Fast gern. 
Vnsalo sprach: Ich weiss einn Bern 
Ynd wil euch an dieselbe stat 
Füren, da er sein lägen hat. 
Damit weisst Ynfalo den man 
Auff das gejaid in wald hindan, 
Da warn bei jm auff allen seiten 
Das hoffgesind, die jn geleiten, 
Der Adel, gelerten, rathsverwand¬ 
ten, 
Leuffer, Lackeien vnd Trabanten, 
Die jäger auch bestellt da stunden, 
Zogen für ausshin mit den bunden, 
Man fürt daneben etlich wagen, 
Darauff vil gärn und seyle lagen, 
Ynd was man dorfft zur berenjagt. 
Yil bawren waren unverzagt 
Mit äxten, parten, knebel, spiessen, 
Theten, was die jäger hiessen, 
Welchen Ynfalo het befolen, 
Dass sie sich all enthalten sollen, 
Ir keiner stechen wöll den bärn, 
Dann ich (sprach er) wollt selber 
gern, 
Dass jn Teurdanck selb stechen 
gundt, 
Da möcht man sehen, was er kundt, 
Wo er sich allein an jn wagt, 
Halt ich jn warlich unverzagt. 
Demselben alln also geschah, 
Alsbald der Bär den Held ersah, 
Lieff er jn gar trutzlichen an, 
Urtext.
	        
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