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hoch vor Freude und Erwartung. Sie suchte aus, will aber auch
ein mässiges abhandeln. Der arme Jakob muss erklären, er könne
keinen Kreuzer ablassen, und sie geht schweigend hinweg zu den
anderen Spitzenhändlern. Sie, als Kennerin, bemerkt aber bald,
dass diese viel teurer sind und die Spitzen schlechter, spricht das
gegen ihre Damen aus und kehrt zurück zu unserm Jakob. Nun
kauft sie reichlich und lobt laut den ehrlichen Mann. Alle vor-
nehmen Damen in der Stadt wollen nun auch bei Jakob kaufen.
Am Abend hatte er auch nicht einen Viertelmeter mehr. „Konnte
ich,“ erzählte er, „an den ersten Abenden vor Kummer und Sorge
nicht essen, so konnte ich's nun vor Freude nicht. Meine Seele
war voll Lobes und Dankes gegen Gott.“
Gotthilf Heinrich v. Schubert.
146. Das TLoch im Armel.
Ich hatte einen Spielgesellen und Jugendfreund, Namens Albrecht,
erzählle einst Herr Marbel seinem Neffen Konrad. Wir beide waren
überall und nirgend, wie nun Knaben sind, wild, unbändig. Unsre
Kleider waren nie neu, sondern schnell besudelt und zerrissen. Da gab
es Schläge zu Hause; aber es blieb beim alten. Eines Tages saßen
wir in einem öffentlichen Garten auf einer Bank und erzählten ein—
ander, was wir werden wollten. Ich wollte Generallieutenant, Albrecht
Generalsuperintendent werden.
„Aus euch beiden wird im Leben nichts!“ sagte ein steinalter
Mann in feinen Kleidern und weißgepuderter Perücke, der hinter
unserer Bank stand und die kindlichen Entwürfe angehört hatte.
Wir erschraken. Albbrecht fragte: „Warum nicht?“
Der Alte sagte: „Ihr seid guter Leute Kinder, ich sehe es euren
Röcken an; aber ihr seid zu Betllern geboren; würdet ihr sonst diese
Löcher in euren Ärmeln dulden?“ Dabei faßte er jeden von uns an
die Ellenbogen und bohrte mit den Fingern in die daselbst durch—
gerissenen ÄArmel hinauf. — Ich schämte mich, Albrecht auch. „Wenn's
euch,“ sagte der alte Herr, „zu Haus niemand zunähet, warum lernt
ihr's nicht selbst? Im Anfang hättet ihr den Rock mit zwei Nadel—
slichen geheilt; jetzt ist es zu spät, und ihr kommt wie Bettelbuben.
Wollt ihr Geuerallieutenant und Generalsuperintendent werden, so fangt
an beim Kleinsten. Erst das Loch im Ärmel geheilt, ihr Bettelbuben;
dann denkt an etwas anderes!“
Wir beide schämten uns von Herzensgrund, gingen schweigend
davon und hatten das Herz nicht, etwas Böses über den bösen Alten
zu sagen. Ich aber drehte den Ellenbogen des Rockärmels so herum,
daß das Loch einwärts kam, damit es niemand erblicken möchte. Ich
lernte von meiner Mutter nähen, spielend; denn ich sagte nicht, warum
ich's lernen wollte. Jetzt, wo sich an meinen Kleidern eine Naht
öffnete, ein Fleckchen sich durchschabte, ward's sogleich gebessert. Das
machte mich aufmerksam; ich möchte an unzerrissenen Kleidern nun nicht
mehr Unreinlichkeit leiden. Ich ging sauberer, ward sorgfältiger, freute