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28. Pfingstregen.
Adalbert Stifter.
Vergl. Naturschilderungen von Heinr. Stahl. Darmstadt. 1855. 8159.
1. Pfingsten kam näher und näher. Der glänzende Himmel
war wochenlang ein glänzender geblieben, und wohl hundert Augen
schauten nun zu ihm ängstlich auf. Die Halme des Kornes standen
so dünn, so zart und streckten die wolligen Ähren pfeilrecht empor
wie ohnmächtige Lanzen. Die Heidelerche war verstummt; aber
dafür tönte den ganzen Tag und auch in den warmen, taulosen
Nächten das ewige, einsame Zirpen und Wetzen der Heuschrecken
über die Heide und der Angstschrei des Kiebitzes. Das flinke
Wässerlein ging nur noch wie ein dünner Seidenfaden über die
graue Fläche, und das Korn und die Gerste standen fahlgrün und
erzählten bei jedem Lufthauche mit leichtfertigem Rauschen ihre
innere Leere. Die Baumfrüchte lagen klein und mißreif auf der
Erde, die Blätter waren staubig, und von Blümlein war nichts
mehr auf dem Rasen, der sich selber wie rauschend Papier zwischen
den Feldern hinzog.
2. Wohl stand mancher Wolkenberg tagelang am südlichen
Himmel, aber wenn es Abend wurde, zerging er, löste sich in
lauter wunderschöne, zerstreute Rosen am Firmamente auf und
verschwand, — und die Millionen freundlicher Sterne besetzten
den Himmel. So war Freitag vor Pfingsten gekommen. Das
Bächlein war nun auch versiegt, das Gras bis auf eine Decke
von aschgrauem Filze verschwunden. Nur der Wacholder stand
mit eiserner Ausdauer da, der einzige lebhafte Feldbusch, das grüne
Banner der Hoffnung; denn er bot freiwillig gerade heuer eine
so überschwengliche Fülle der größten blauen Beeren, daß sich
einer solchen keines Heidenbewohners Gedächtnis entsinnen konnte.
3z. Wohl standen wieder Wolken am Himmel, die in langen,
milchweißen Streifen tausendfaserig und verwaschen die Bläue
durchstreiften, sonst immer Vorboten des Regens; aber man traute
ihnen nicht, weil sie schon drei Tage da waren und immer wieder
verschwanden, als würden sie eingesogen von der unersättlichen
Bläue. Mancher Hausvater ging händeringend zwischen den