Full text: [Stufe 2, [Schülerbd.]] (Stufe 2, [Schülerbd.])

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büsche läßt die Nachtigall ihr seelenvolles Lied erschallen. Wenn 
auch der Abend längst schon aus die Fluren sich herabgesenkt hat, 
so erfreut uns noch ihr entzückender Gesangs und höher schlägt 
unser Herz dem Schöpfer entgegen. 
85. Das Gewitter. 
Christian Cay Lorenz Hirschfeld. 
Die Sonne verbirgt sich hinter dem schwarzen Wolkengebirge, 
die Nacht überwältigt den Tag,' die Lüfte heulen, die Wälder 
rauschen, die wirbelnden Stürme, die Vorboten des nahen Donners, 
treiben Sand und Staub und Blätter mit einem bangen Getöse 
umher, die Wellen der Flüsse empören sich, brausen und wälzen 
sich ungestüm fort. Es fliehen die scheuen Tiere den Felshöhlen 
zu- mit ängstlichem Geschwirre flattern die Vögel unter Dächern 
und Bäumen. Der Landmann eilt nach seiner Hütte, Felder und 
Gärten werden verlassen. Das Herz kämpft niit verschiedenen 
Leidenschaften, will seine Furcht verbergen, die in allen Gebeinen 
zittert, und arbeitet, sich mit Standhaftigkeit und Ruhe zu waffnen. 
Indessen wird die über die Erde ausgebreitete Nacht immer 
fürchterlicher, und aus der Ferne murmelt schon eine dumpfe 
Stimme die Drohungen des kommenden Donners her, dem Ohre 
immer hörbarer. Auf einmal scheint das ganze Gewölbe des 
Himmels zu zerreißen- ein erschreckliches Krachen füllt den weiten 
Luftraum- die Erde bebt, und alle Widerhalle in den Gebirgen 
werden erregt. Mit jedem Schlage des Donners fahren die 
flammenden Blitze Strahl auf Strahl aus, durchkreuzen die schwülen 
Lüfte, schlängeln sich an den Spitzen der Berge herab und werfen 
Feuer in die ödesten Abgründe. Die Schleusen des Himmels 
lösen sich von ihrer Last und stürzen in ganzen Fluten herab, 
und indem die Wolken unter dem Kampfe der Winde von einer 
Gegend in die andere sich fortjagen, tobt das wilde Geplätscher 
auf den dürren Erdboden herunter. 
Aber nach dem tobenden Gewitter, welche Anmut erscheint 
nicht in der ganzen Natur! Die finsteren Gewölke zerteilen sich, 
bestrahlt von einem glänzenden Lichte- eine lächelnde Heiterkeit, 
die alles erfreut, breitet sich am ganzen Himmel aus - sein blaues 
Gewand, von bunten Streifen durchwebt, bricht hinter dem zurück¬ 
wallenden Vorhänge hervor und spiegelt sich wieder auf dem be¬ 
ruhigten Gewässer. Flüchtige Schatten laufen über Thäler und 
Hügel und Wiesen, von einem leichten Schimmer verfolgt- bald
	        
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