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//Das Feuer", sprach der Knabe, „wird vom Wasser ^ausge-
(öfdit; das Wasser wird von der Wolke leicht getragen,' der Wind
verjagt die Wolken, und dem Winde besteht der Mensch. So ist
der Mensch das mächtigste der Wesen."
„Und ich der mächtigste der Menschen", sprach der König.
„Bete mich an, oder der glühende Ofen ist dein Lohn!"
Da schlug der Knabe sein bescheidenes Auge auf und sprach:
„Ich sah die Sonne gestern am Morgen auf- und am Abend
untergehen,' befiehl, o König, daß sie heut am Abend auf- und am
Morgen imtergehe, so will ich dich anbeten."
Und Abraham ward in die Glut geworfen.
Aber des Feuers Kraft beschädigte den Knaben nrcht,' ein
Engel nahm ihn sanft in seinen Arm und fächelte die Flammen
von ihm ab wie Lilienduft. Schöner ging der Knabe vom Feuer
hinaus, imb bald erschien ihm Gott und rief ihn aus Chaldäa
und weihte ihn §n seinem Freunde ein.
lind Abraham ward Stifter des wahren Gottesdienstes des
einen Gottes Himmels und der Erde für alle Welt.
13. Der frühe Tod.
Johann Gottfried von Herder.
Früh morgens ging ein Mädchen in den Garten, sich einen
Kranz zu sannneltt aus schönen Rosen. Sie standen alle noch in
ihren Knospetr da, geschlossen oder halb geschlossen, des Morgen¬
taues duftende Kelche. „Noch will ich euch nicht brechen", sagte
das Mädchen. „Erst soll euch die Sonne öffnen, so werdet ihr
schöner prangen urtb stärker duften."
Sie kam am Mittag und sah die schönsten Rosen vom Wurnr
zerfressen, vom Strahl der Sonne gebeugt, erblaßt und welkend.
Das Mädchen weinte über ihre Thorheit, unb am folgenden
Morgen sammelte sie sich ihren Kranz früh.
*
Seine liebsten Kinder ruft Gott früh aus dem Leben, ehe
der Strahl der Svntie sie sticht, ehe der Wurm sie berührt. Das
Paradies der Kinder ist eine hohe Stufe der Herrlichkeit.
14. Der Edelstein.
Friedrich Adolf Krummacher.
Ein roher Edelstein lag in dem Staube zwischen nieten ge¬
meinen unedelu Steinen verborgen viele Jahre lang. Mancher
wandelte vorüber oder trat ihn unter den Fuß, ohne ihn auf-