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Hoch ragt aus schatt'gen Gehegen
Ein schimmerndes Schloß hervor/
Ich kenne die Türme, die Zinnen,
Die steinerne Brücke, das Thor
Es schauen vom Wappenschilde
Die Löwen so traulich mich an
Ich grüße die asten Bekannten
Und eile den Burghof hinan.
Dort liegt die Sphinx am Brunnen
Dort grünt der Feigenbaum-
Dort hinter diesen Fenstern
Verträumt' ich den ersten Traum.
Ich tret' in die Burgkapelle
Und suche des Ahnherrn Grab/
Dort ift's, dort hängt vom Pfeiler
Das alte Gewaffen herab.
Noch lesen umstort die Augen
Die Züge der Inschrift nicht,
Wie hell durch die bunten Scheiben
Das Licht darüber auch bricht.
So stehst du, o Schloß meiner Väter,
Mir treu und fest in dem Sinn
IXnb bist von der Erde verschwunden,
Der Pflug geht über dich hin
Sei fruchtbar, o teurer Boden,
Ich segne dich nrild und gerührt
Und fegn' ihn zwiefach, wer immer
Den Pstug mm über dich führt.
Ich aber will auf mich raffe::,
Mein Saitenspiel in der Hand,
Die Weiten der Erde durchschweifen
Und singen von Land zu Land.
155. Waldeinsamkeit.
Julius Mosen.
In dem Walde liegt mein Reich,
Unter Tannen steht mein Pfühl/
Grünes Moos ist gar so weich,
Grüner Wald ist gar so kühl!
Vögel singen auf mich ein,
Rehe ziehen ruhig hin,
Alle möchten bei mir sein,
Da ich doch ein König bin
156. Aus dem Walde.
Emanuel von Geibel.
Mit dem alten Förster hellt
Bill ich durch den Wald gegangen.
Während hell int Festgeläut'
Aus dem Dorf die Glocken klangen.
Golden floß ins Laub der Tag,
Vöglein sangen Gottes Ehre,
Fast, als ob's der ganze Hag
Wüßte, daß es Solmtag wäre.
Und wir kamen ins Revier,
Wo, umrauscht von alten Bäumen,
Junge Stämmleill sonder Zier
Sproßten ans besonnten Räumen.
Feierlich der Alte sprach: ,
„Siehst du über unsern Wegen
Hochgewölbt das grüne Dach?
Das ist unsrer Ahnen Segen.
Deml es gilt ein ewig Recht,
Wo die hohell Wipfel rauschen,
Von Geschlechte zu Geschlecht
Geht im Wald ein heilig Tauschen.
Was uns not ist, lills zum Heil
Ward's gegründet von den Vätern/
Aber das ist unser Teil,
Daß wir grüllden für die Spätern.