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Rinder in Menge und den Vorrat an Gold und edeln Steinen
irr eisernen Truhen. „Wohl bin ich reich an köstlicher Habe,"
sprach er, „nur fehlt mir Freya als Ehegenossin. Aber am mor¬
genden Tage tritt sie in meine Halle; darum, ihr Knechte, bestreut
die Bänke, schafft Mastvieh herbei und Bier die Fülle,- denn fröhliche
Hochzeit geziemt sich im reichen, geräumigen Hause."
Schon am frühen Morgen stellten Gäste sich ein, und bald
saß auch die Braut an Thryms Seite, nach Anstand und Sitte
wohl verschleiert. Die Tische waren mit köstlichen Speisen und
Getränken beladen, ein Labsal zu schauen und mehr noch 511
schmausen; doch that es keiner der Braut zuvor. Sie speiste in
Eile einen fetten Ochsen, acht Lachse und alles siiße Gebäck, für
Frauen bestimmt, und trank dazu zwei Kufen Met. Staunend
sah der Thnrse das Wunder. „Niemals", rief er, „sah ich Bräute
so gierig schlingen, niemals ein Mägdlein den Met in solcher
Menge trinken." Aber die Magd versicherte ihn, aus Sehnsucht
habe die Braut seit acht Nächten sich nicht an Speise und Trank
gelabt. Als darauf der Jötune den Schleier lüftete, schrak er
zurück bis an das Ende des Saales vvr Freyas flammenden
Augen, die ihm wie rote Glut entgegenstarrten. Doch auch jetzt
beruhigte ihn die kluge Magd. „Acht Nächte", sagte sie, „hat die
Herrin vor Sehnsucht nicht geschlafen; darum sind ihre Augen so
rot wie Glut." — Nun trat zu der Braut des Thursen ärmliche
Schwester, ein Brautgeschenk zu erflehen. „Reiche mir dar", bat
sie, „goldene Ringe und ein Spangenpaar, so du dich meiner
Liebe erfreuen willst!" Unbewegt von der Bitte verharrte schweigend
die hohe Herrin im bräutlichen Schmuck. Aber der Fürst, berauscht
von Sehnsucht und schäumendem Trank, befahl, den Hammer aus
der Tiefe zu holen und nach ehelicher Sitte den Bund zu weihen.
„Dann", sprach er, „legt ihn der Maid in den Schoß." Da war's,
als lache unter des Schleiers Verhüllung die Braut,- ein grimmiges
Lachen scholl unter dem Linnen hervor, als geschah, was der Fürst
geboten hatte.
Jetzt erhebt sich die Braut, die Hülle fällt von ihrem Haupte;
es ist Asathor, furchtbar dem Anblick, den nackten Arm erhoben,
Miölnir in der nervigen Faust. Des Saales Festen wanken und
brechen, ein Dvnnerschlag erschüttert das Haus,- ein funkelnder
Blitz flammt durch die Halle. Schon liegt Thrym zerschmetterten
Hauptes am Boden; es sinken Gäste und Knechte unter den
Hammerschlägen,- auch die ärmliche Schwester bleibt nicht verschont.
Die feurige Lohe steigt aus dem Giebel empor, und Hans und
Deutsches Lesebuch. 3. Aufl. 4