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bethen Händen an seinem Stocke haltend, über die gefährlichsten
Alpenwege hinunter ins Thal, wo er von feinen Freunden bewill-
Ibmmt wird und voll von Freude mit ihnen über die überstande¬
nen Gefahren und Eroberungen schwatzt. Ist die Gemse an keiner
tödlichen Stelle getroffen, so wird sie mit heraushängenden Einge¬
weiden oder nur auf drei Füßen gleich schnell, als' ob sie nicht
verwundet wäre, mit den übrigen unverletzten Tieren die Flucht
ergreifen und ihrem Verfolger nichts als das leere Nachschauen
hinterlassen. Es ist unbegreiflich, was für ein zähes Leben diese
Tiere haben, und wie schnell sie, wenn sie nicht tödlich verwundet
sind, wieder heil werden. Im letzteren Falle verbergen sie sich gern
in Höhlen und Löchern, oder unter Felsen und im Gesträuche. Eine
Gemse, deren beide Hinterfüße ganz lahm geschossen sind, kann auf
den vordem unbegreiflich schnell über kahle Gebirge oder Eisfelder
hinunter, oft halbe oder gattze Stunden lange Strecken, fortrücken.
Vor ungefähr 40 Jahren ward auf dem Murtschenstock im Glarner-
lande eine Gemse in einen Fuß verwundet, der ihr nachher wegen
dieser Wunde beim Knie völlig aufwärts wuchs. Drei Jahre hin¬
tereinander sah sie der gleiche Jäger, der sie verivundet hatte, ohne
sie schießen zu können, und erst im vierten wurde sie seine Beute.
Bisweilen springt auch eine angeschossene Gemse nur noch eine Strecke
weit; blutet sie, so geht der Jäger der Blutspur nach und findet
sie alsdann nicht selten verblutet und entkräftet auf der Erde lie¬
gen; hat er aber keine Blutspuren, so ist sein Suchen gewöhnlich
umsonst. Öfters geschieht es auch, daß, wenn eine Gemse von einer
steilen Felsenwand herabgeschossen wird, sie in die sich darunter
öffnenden Abgründe stürzt, so daß sie der Jäger entweder nicht mehr
finden kann, oder daß sie in Stücke zerfällt, oder aber, daß bei dem
heftigen Auffallen ihre Eingeweide im Leibe zerplatzen, so daß dem
Jäger fast nichts übrigbleibt, als die bloße, oft noch zerfetzte Haut.
Bisweilen gehen auch zwei bis drei Jäger gemeinschaftlich auf die
Geutsen los; die Schützen stellen sich oben in der Höhe dem Winde
entgegen und besetzen diejenigen Pässe, wo sie vermuten, daß die
Gemsen vorbeikommen, indem eilt Treiber dieselben von nuten auf¬
wärts zu jagen sucht. In tiefer liegenden Hochgebirgs-Waldnngen
läßt man sie auch vou Hunden ausspähen und bergauf treiben.
In allen Fällen, wo man sie im Lauf schießen muß, ladet man drei