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andrer bildet siedenden, schäumenden Gischt, ein dritter wälzt sich in
großen Massen über den Felsen und gelangt hinab in den Kessel,
wo das Sieden, Schäumen und Strudeln von neuem anhebt. Denkt
man sich dies in der größten Geschwindigkeit hinter einander und
zugleich nebeneinander, da ein Teil des Wassers schon im Kessel
zischt und brandet, wenn der andre erst wider die Felsen prallt und
uüͤber sie hinaus spritzt, — denkt man sich dies Schauspiel bei jedem
der Felsblöcke mit der Abänderung wiederholt, daäß nur der erste
Felsen überströmt wird, und läßt man dann die Sonne sich ent—
schleiern, um den mannigfaltigsten, herrlichsten Farbenwechsel hervor—
zübringen, indem sie die vom Wind gekräuselten Säume des Schaums
vergoldet, den Wasserspiegel mit Glanz überstrahlt und im auf—
steigenden, schnell bewegten Dunste den flüchtigen Regenbogen hervor—
zaubert, dessen oberes von der Luft hin- und hergetrieben, vom neu
aufwallenden Nebel verwischt und doch gleich wieder neu erzeugt
wird, während der Fuß ruhig und unbeweglich im Gischt und
Schaum des Kessels steht, — faßt man dies alles in eine Vorstellung
zusammen, so hat man ein schwaches Bild dessen, was an dem
Phänomen Sichtbares ist. Auf das Ohr wirkt gleichzeitig das
ungeheure Donnergetöse des Sturzes so gewaltsam, daß man es in
stiller Nacht auf zwei Meilen weit hört, in der Nähe aber niemand
sein eignes Wort vernimmt. Auch dem Gefühle macht es sich durch
die Lufterschütterung und den Staubregen bemerklich, der den
Zuschauer in kurzer Zeit durchnäßt, wenn er sich dem Anblicke zu
unbedachtsam hingiebt. Nach Karl Simrock.
127. Sprüche von Goethe.
1. Zwischen heut' und morgen liegt eine lange Frist;
lerne schnell besorgen, da du noch munter bist.
2. Es ließe sich alles trefflich schlichten,
könnte man die Sache zweimal verrichten.
3. Thue nur das Rechte in deinen Sachen;
das andere wird sich von selber machen.
Wohl unglückselig ist der Mann,
der unterläßt das, was er kann,
und unterfängt sich, was er nicht versteht;
kein Wunder, daß er zu Grunde geht.
5. Wer ist ein unbrauchbarer Mann?
der nicht befehlen und auch nicht gehorchen kann.
6. Soll es reichlich zu dir fließen,
reichlich andre laß genießen.
. Mann mit zugeknöpften Taschen, dir thut niemand was zulieb.
Hand wird nur von Hand gewaschen; wenn du nehmen willst, so gieb!
8. Alles in der Welt läßt sich ertragen,
nur nicht eine Reihe von schönen Tagen. Wolfgang v. Goethe.