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tausendfältige Elend und Herzeleid, das in der Welt ist und die
armen Menschen martert und quält, und ist niemand, der helfen
kann. Und du wirst finden, Andres, wenn die Thränen nicht vor—
her gekommen sind, hier kommen sie gewiß, und man kann sich so
herzlich heraussehnen und in sich so betrübt und niedergeschlagen
werden, als ob gar keine Hülfe wäͤre. Denn muß man sich aber
wieder Mut machen, die Hand auf den Mund legen und wie im
Triumph fortfahren:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Macht und die
Herrlichkeit in Ewigkeit, amen! Matthias Claudius.
55. Der gerettete Jüngling.
Eine schöne Menschenseele finden
ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist,
sie erhalten, und der schönst' und schwerste,
sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Pathmos
wiederkehrend, war, was er gewesen,
seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling,“ sprach er zu dem Bischof,
„nimm in deine Hut. Mit deiner Treue
stehst du mir für ihn; — hierüber zeuge
mir und dir vor Christo die Gemeine.“
Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich,
unterwies ihn, sah die schönsten Früchte
in ihm blühn, und weil er ihm vertraute,
ließ er nach von seiner strengen Aufsicht.
Und die Freiheit war ein Netz des Jünglings;
angelockt von süßen Schmeicheleien,
ward er müßig, kostete die Wollust,
dann den Reiz des fröhlichen Betruges,
dann der Herrschaft Reiz; er sammelt' um sich
seine Spielgesellen und mit ihnen
zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber.
Als Johannes in die Gegend wieder
kam; die erste Frag' an ihren Bischof
war: „Vo ist mein Sohn?“ — „Er ist gestorben!“
sprach der Greis und schlug die Augen nieder.
„Wann und wie?“ — „Er ist Gott abgestorben!
ist (mit Thränen sag' ich es) ein Räuber.“