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Ludwig Uhland: Die Schlacht bei Döffingen.
würde man dem Hörer und Leser alle Illusion zerstören, dann thäte man
besser, das Gedicht überhaupt zu streichen. Der Gewinn an historischer
Wahrheit wiegt aber in diesem Falle nicht so schwer wie der Verlust an poe¬
tischer Stimmung, d) Stimmungsmalerei: Mit wenig Sätzen malt
Uhland ein Bild von der größten Anschaulichkeit, und mit wenig Worten legt
er in dasselbe die richtige Stimmung. So z. B. malen in A Die
Strophen 1—6 in unübertrefflicher Weise die friedliche Schönheit des
Sommermorgens, die friedlich-frohe Stimmung des Grafen, das behagliche
Ruhen im kühlen Kloster, das erquickliche Strecken im warmen Sprudel —
im Gegensatz dazu Str. 7 — 14 die notwendige, sich freilich nicht über¬
stürzende Hast in der Gefahr. In B geben gleich die ersten Strophen
den Grundton der Stimmung an, die das ganze Gedicht beherrschen soll.
c) Humor. Groß ist des Dichters Kunst, Streiflichter des Humors auf
das Bild dieser zum Teil düsteren, schweren Zeit fallen zu lassen und sie
dadurch zu verklären. Der Humor zeigt sich entweder in den Worten,
die der Dichter den Personen in den Mund legt (z. B. A 8 und 10,
B 13, D 18), oder es ist der Humor der Thatsachen (z. B. A 16 oder
B 1—3, verglichen mit Str. 10—12). ä) Sprachliche Mittel.
1) Parallelismus der Glieder. Die symmetrische Anordnung, wie
sie oben als von dem Cyklus im Ganzen geltend nachgewiesen ist, liebt
Uhland auch im Aufbau ganzer Strophen und einzelner Sätze; vgl. z. B.
A 7—10, D 17—20 und A 8, B 8, C 8 und 14, Z. 1 B 6. 8. —
2) Gegensätze. In A: Hoch zu Roß, begleitet von seinen Knappen,
reitet Graf Eberhard aus — zu Fuß und teilweise auf dem Rücken
eines treuen Hirten kehrt er heim; er sucht nicht blutigen Strauß — die
Feinde suchen ihn; behagliches Strecken, Ruhe — atemlose Hast der Boten,
eiliges Anziehen, eilige Flucht; Str. 11 u. s. w. In B: Die drei Könige
reden und beraten — Eberhard handelt; ihre Siegeszuversicht (Str. 2. 3)
— ihr demütiger Gang in die Gefangenschaft; sie wollen Eberhard fangen,
verwahren und seine Burgen brechen — so verfährt er mit ihnen; die
Unsicherheit über die drohende Gefahr bei Nacht — die furchtbare Klarheit
bei Tagesanbruch; Str. 10. In C: Das scheinbare Erliegen — die
Erhebung; Str. 6 unbeweglicher Fels — anschwellende Flut; Str. 3 und
Str. 10; Str. 9 nimmt gefangen — auf den Tod. In B: Str. 1;
Str. 4 und 15; Str. 6; Str. 16 und 0 20. 21; Str. 17. 18 und
Str. 19. 20. 3) An Vergleichen, Bildern und bildlichen Aus¬
drücken ist unser Liederkreis wie alle Uhlandschen Gedichte nicht arm.
Die Vergleiche und Bilder blenden nicht durch überraschende Neuheit und
fremdartigen Farbenglanz, erfreuen aber durch Anschaulichkeit, Klarheit
und feine Durchführung bis in die Einzelheiten hinein; vgl. 0 1 sowie
D 7 und 12. 4) «) Altertümliche Formen und Ausdrücke verwendet
Uhland sehr stark; diese Vorliebe ist zurückzuführen auf seine liebevolle
Beschäftigung mit der mittelalterlichen Litteratur. In den „Erläuterungen"
sind die Nachweise im einzelnen gegeben. Hierher gehört noch die Nicht¬
flexion des Adjektivums wie A 10 der gleißend Wolf, A 11 ein lustig
Necken, B 5 ein wohlgerüstet Heer. ß) Nicht minder gern greift Uhland