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und nun lagert sich das Tier. Aber vorsichtig und in demselben Tempo,
in welchem es sich erhebt, legt es sich nieder. Und erst wenn es aus den
sieben Schwielenpolstern der Brust, der Vorder- und Hinterbeine ruht, kann
es entlastet werden. Die abgelösten Ballen bleiben zu beiden Seiten des
Tiers auf dem Boden stehen; das Kamel zwischen ihnen erhebt sich, seiner
Bürde frei, und geht auf die Weide. Es begnügt sich mit Dornen, wenn
es nichts anderes findet; sein scharfes Gebiß zermalmt die festesten leicht und
mit Lnst, als ob es Halme wären.
Tage um Tage vergehen, Sonncnglut wechselt mit Nachtfrost, bis endlich
die Karawane ihr Ziel erreicht hat. Schon harren Schiffe der Schätze, sie
über das Meer hinüberzutragen in die Kaufgewölbe der Weltstädte.
Wenn dein Auge hier sich daran erfrent, dn dankst es zum großen
Teile dem häßlichsten Vierfüßer, dem unentbehrlichsten „Schiffe der Wüste",
dem Kamele. H. Masius.
233. Der Samum in der Wüste.
Schon der frühe Morgen war schwül, ein seiner Duft lag wie ein
durchsichtiger Schleier über der Sandebene, kein Lüftchen regte sich. Nun
wirds immer drückender. Die Sonne entsendet ihre heißesten, stechendsten
Strahlen. Eine düstere Stimmung hat die ganze Karawane ergriffen. Kein
Gesang, kein lautes, frohes Jauchzen erschallt, man erblickt nur abgespannte,
trübe Gesichter, hört nur schwere Seufzer, welche die unerträgliche Hitze un¬
willkürlich der beengten Brust erpreßt. Der Anführer des Zugs macht ein
bedenkliches Gesicht und wirft besorgte Blicke zum ehernen Himmelsgewölbe
hinauf und hinaus in den weißlich grauen, unheimlichen Duft der Wüste.
Da ertönt sein Ruf: „Vorwärts! Vorwärts!" „Vorwärts!" schreien andere
nach, man treibt die Kamele zum eiligen Schritt an, Peitschen knallen, Zu¬
rufe ertönen, die Kamele verdoppeln ihre Schnelligkeit, aber nur, um nach
wenigen Minuten in den vorigen langsamen und lässigen Schritt zurückzu¬
fallen. Die Tiere keuchen unter dem schweren Drucke der Atmosphäre und
sind zu keiner anhaltenden Munterkeit zu bringen. Es geht nur langsam
vorwärts. Je weiter der Tag vorrückt, desto' drückender wird die lastende
Schwüle, desto unerträglicher die Glut der Sonne.
Plötzlich ertönt ein gellender Schrei des Entsetzens und Erschreckens die
ganze lange Linie der Karawane entlang: „Allah il Allah, der Samum!"
Ein schwarzgelber düsterer Schein breitet sich im Nn am ganzen östlichen
Himmelsrande ans, während der Sandboden unter den Füßen qualmende
Schwefeldünste auszuhauchen scheint, die jedem lebendigen Geschöpf fast den
Atem benehmen. Die Kamele stöhnen und wollen nicht weiter schreiten,
die Menschen heulen und schreien zu Allah und dem Propheten, der Emir
brüllt mit lauter Stimme: „Nieder, nieder ans den Sand! Verhüllt das