Full text: [Teil 3, [Schülerbd.]] (Teil 3, [Schülerbd.])

folge des Erfrierens unter den Messern und Sägen der Wund¬ 
ärzte verloren hatten. G. H. v. Schubert. 
34. 
Das Unentbehrliche. 
¿J$enn man unter uns Menschen eine Umfrage darüber halten 
wollte, was jeder zu seines Lebens Unterhalt bedürfe, dann würde 
die Antwort darauf sehr verschieden ausfallen. Der reiche, an 
hunderterlei Bequemlichkeiten und Genüsse gewöhnte Bewohner der 
Städte würde meinen, er könne nicht leben ohne mehrere Gerichte 
von Fleisch und Zuspeise, Wein und Bier; nicht aushalten, ohne 
für die Zeit der Ruhe seine Matratzen und Polster, zu seiner Be¬ 
deckung Pelzwerk oder seidenes Gewand, zu seinem gewöhnlichen 
Aufenthalt ein schön verziertes Zimmer zu haben. Der arme Be¬ 
wohner unserer Gebirgsdörfer gibt es freilich viel kleiner zu; er 
ist zufrieden, wenn er nur Brot und Kartoffel, an den Werktagen 
Wasser und etwa an Feiertagen einen Trunk Bier zur Stillung 
seines Hungers und Durstes hat. Auf seinem Strohpolster schläft 
er fester als der Reiche; unter dem leinenen Kittel schlägt ihm sein 
Herz ebenso fröhlich, ja oftmals fröhlicher, als dem vornehmen 
Manne unter Sammt und Seide. 
Wenn aber nun diese beiden, der arme Gebirgsbauer und 
der verwöhnte Städter, miteinander auf einem Schiffe führen und 
das Schiff scheiterte, sie jedoch retteten sich auf einen Felsen im 
Meere, wo es nichts zu essen und zu trinken gäbe, so würden sie 
dennoch in Hoffnung auf das rettende Boot, das ihnen, wenn auch 
erst nach etlichen Tagen, vom Lande her zu Hilfe kommen sollte, 
vergnügt und froh sein; denn sie hätten doch da, auf dem frei 
über das Wasser hervorragenden Felsen etwas, das zur Erhaltung 
des Lebens notwendiger ist als Speisen und Getränke, Betten und 
Kleider: die Luft, welche kein Mensch, er sei reich oder arm, jung 
oder alt, auch nur zehn Minuten lang entbehren kann. 
Bei den Tieren fällt die Verschiedenheit der Dinge, an welchen 
jede Art ihr Belieben hat, noch viel mehr in die Augen. Der Adler 
wie der Löwe würden in einem Garten voll der köstlichsten Früchte 
und Gemüse, auf einer Wiese voll Klee und Gras verhungern; sie
	        
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