Full text: [Teil 4, [Schülerbd.]] (Teil 4, [Schülerbd.])

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gen konnten, mit dem Tode bestraften. Es war gefährlich sich 
vor ihnen zu stellen, und noch gefährlicher sich auf ihre Vorladung 
nicht einzufinden. Ihren ersten und vornehmsten Sitz hatten jene 
Gerichte in Westfalen, darum hiessen sie auch die westfälischen 
Freigerichte, den Namen „Femgerichte“ hatten sie aber von dem 
altdeutschen „verfemen“, das so viel heisst als verbannen, ver¬ 
fluchen. 
Das Femgericht bestand aus einem Freigrafen und einer 
Anzahl Freischöppen oder Beisitzer, die man auch „Wissende“ 
nannte, weil sie um die Geheimnisse der heiligen Feme wussten. 
Solcher Beisitzer mussten mindestens 14 sein, gewöhnlich aber be¬ 
trug ihre Zahl das Doppelte. Man rechnet, dass in ganz Deutsch¬ 
land über 100,000 Wissende waren; ihrer Wachsamkeit und 
Beobachtung konnte sich niemand entziehen. Jeder Freigraf und 
Freischöppe musste im Westfälischen „auf roter Erde“ belehrt 
und beeidigt worden sein. Der Eid, den man ihnen abnahm zur 
Sicherung ihrer Verschwiegenheit, war furchtbar. Er begann: 
„Ich schwöre die heilige Fern halten zu helfen und zu verhehlen 
vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vor Schwester und 
Bruder, vor Feuer und Wind, vor allem, was die Sonne bescheint, 
der Regen benetzt, vor allem, was zwischen Himmel und Erde 
ist.“ Ein Schöppe, der das Geheimnis verriet, wurde ergriffen, 
und dann mussten ihm vorn die Hände zusammengebunden und 
ein Tuch vor die Augen gehängt werden, hierauf sollte man ihn 
auf einen Bock werfen, ihm einen dreisträngigen Strick um den 
Hals winden und ihn sieben Fuss höher bänger als einen verfemten 
Missethäter oder Dieb. Sämtliche Freistühle waren von der 
Gerichtsbarkeit und Aufsicht der einzelnen Landesherren frei, 
sie erkannten nur den Kaiser als ihr Oberhaupt, machten ihn 
gleich nach seiner Krönung zu ihrem Mitwissenden und richteten 
unter kaiserlichem Ansehen. Von Westfalen hatten sie sich über 
ganz Deutschland verbreitet. Freigrafen und Freischöppen erkannten 
sich an gewissen Zeichen. 
Hatte jemand einen Raub oder Mord begangen, war er der 
Zauberei oder Ketzerei verdächtig, so hatte er Ursache genug, vor 
dem furchtbaren Richterstuhl der Wissenden zu zittern, selbst 
dann, wenn er vor seinem ordentlichen Richter der Strafe schon 
entgangen war. Er wurde von einem der Freischöppen dem 
heimlichen Gerichte angezeigt, der zugleich mit einem Eide 
beschwor, dass das Verbrechen wirklich begangen sei. Die Vor¬ 
ladung geschah aber nicht öffentlich, sondern wurde des Nachts 
vor dem Thore oder der Hausthüre des Beklagten angeschlagen. 
Dieser musste sich dann zur bestimmten Zeit an dem bestimmten 
Orte einfinden; es wartete seiner schon ein Abgeordneter der 
heiligen Feme, der ihn mit verbundenen Augen an den geheimen 
Ort führte, wo die Richter versammelt waren. Gemeiniglich hiel¬ 
ten sie ihre Sitzungen des Nachts in einem dichten Walde oder 
in einer Höhle oder in einem unterirdischen Gewölbe. Hier safsen
	        
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