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bestritten werden. Wer einen Haushalt hat, kann sich dafür das Winter¬
holz oder auch ein Paar gute Ziegen kaufen, und das Schulgeld für das
Büblein füllt vielleicht noch ab. Auch bezahlt mancher, der sich und
seine Familie redlich ernährt, vom gemieteten Lande nicht mehr als
36 Mo Pacht. Und benutze ich sie als Zinsen einer Summe, die
mir ein guter Mann auf mein ehrliches Gesicht wohl schon einmal
leihen wird, so kann ich gar ein Pferd und Karren kaufen, auf meine
eigene Faust Geld verdienen, mich häuslich niederlassen — und habe für
meine Gesundheit keinen Schaden davon. Vielleicht kann ich dann sogar
noch arme Notleidende unterstützen und mir auf meine alten Tage einen
Notpfennig zurücklegen. Diese Rechnung und Überlegung ist mein
Glück gewesen. Ich achtete nicht weiter auf die Stimme des Verführers,
der durch Johanns Mund zu mir redete, sondern sparte gleich zu Anfang
alles, was andre im Schnapsladen ausgaben, — und hatte schon bald
darauf mein gutes Auskommen. Seitdem habe ich fortgefahren, jede
Ausgabe zu berechnen und keine Ersparnisse zu versäumen. Johann
Schaller aber blieb, was er gewesen war, ein stotter Bursche, wie er
sich selbst zu nennen pflegte. Ihr seht, wohin wir beide gekommen
sind: seht die Lumpen seiner Armut, sein Alter vor der Zeit, sein
Säufergesicht, die Schmach und Verachtung, die ihn trifft, — und
meinen Wohlstand, meine Gesundheit, meinen guten Ruf! Sein Elend
ist das Gläschen Schnaps, das er schon in seinen jungen Jahren zu sich
nahm, wenn er eben das Bett verlassen hatte, während der Groschen,
den ich täglich ersparen konnte, den Grund zu meinem Glücke gelegt
hat." So sprach mein Geführte auf der Wanderschaft. Ich habe seitdem
oft an das Gläschen Branntwein gedacht und habe dessen Geschichte
schon manchem zur Lehre und Ermahnung mitgeteilt. E. Souvestre.
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